27
Okt.
2010
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Abenteuer Großformat

Seit dem mich das Analog-Fieber gepackt hat, bin ich auf der Suche nach Ausdrucksformen die diese Form der Fotografie deutlich von der Digitalfotografie abgrenzt. Filme, Entwicklungsprozesse, Herangehensweisen…  Dabei schien mit der Digitalfotografie und der Fülle der damit einhergehenden Möglichkeiten sowie der abenteuerlichen Geschwindigkeit, mit der sie uns überrannte, ein Messias gefunden. Doch der Drops scheint noch nicht gelutscht! Wenn ich mich so umschaue, erlebe ich genau die Renaissance des Analogen, die ich vor fast genau einem Jahr im Gespräch mit den Spürsinnern prophezeite. Vielleicht täuscht mich meine Wahrnehmung, doch sehe ich in letzter Zeit immer mehr Kollegen (mich ausdrücklich NICHT ausgenommen), die ihre fotografischen Ergebnisse auf „analog“ trimmen. Ich bekommen relativ oft Anfragen zu den von mir verwendeten „Retro-Look-Lightroom-Einstellungen“ . Doch eine Versendung von Lightroom-Einstellungen zäumt das Pferd von hinten auf, denn „DEN“ „Analog-Look“ gibt es nicht. Analoge Fotografie ist so unfassbar vielfältig, daß nur die Auseinandersetzung damit zum Ziel führt. Es reicht eben nicht, analoge Fotografien zu studieren und zu versuchen den „look“ zu kopieren. Ohne zu wissen was dahinter steckt, rennst Du blind hinterher oder wie Mac Davies singen würde: „…That I was always just one step behind you“.

Seit einiger Zeit gärt es nun in mir und ich fühlte mich bereit, mich mit der Königsklasse der Fotografie auseinander zu setzen: Dem Großformat.
Großformat-Fotografie unterscheidet sich von allen anderen vor allen erst mal durch die Herangehensweise. Während Kleinbild und Mittelformat „spontane Aufnahmetechniken“ sind, so bewegt man sich in der Großformatfotografie „geplant“ und „konzeptionell„. Die künstlerischen Möglichkeiten im Großformat sind atemberaubend. Fotografen wie Vernon Trent oder Allan Barnes flashen mich mit ihren Fotografien im Großformat jedes mal auf´s Neue.

Während sich die Geschwindigkeit digitaler Fotografie für den Großteil der Fotografen „normal“ anfühlt ist im Großformat nichts „drauf und los“. Was bleibt im „Digitalen“ dabei alles auf der Strecke? Ist eine Auseinandersetzung mit dem was man da fotografiert überhaupt noch möglich? Zählt wirklich nur der Moment? Ich will das für mich herausfinden und beantworten. Mir geht es bei diesem Medium nicht um die unfassbar hohe Auflösung, die dieses Format generiert, sondern um die Auseinandersetzung mit dem Motiv. Und das Großformat zwingt mich eben dazu.

Der erste Schritt ist getan. Ich habe mir – meinem Geldbeutel entsprechend – erstmal eine kleine Laufbodenkamera angeschafft, eine Graflex Speed Graphic. Diese Kamera wurde als Presse-Kamera in unterschiedlichen Modellen von 1928 bis 1970 in den USA hergestellt und verkauft. Sie ist für eine Großformatkamera relativ klein und handlich und nimmt Filme im klassischen Format 4×5“ (9x12cm) auf. „Ein Film“ bedeutet im Großformat „eine Aufnahme im Format 9x12cm“ und da wären wir bereits bei der Langsamkeit des Mediums. Jedes Foto will vorbereitet und ordentlich gemessen sein. Durch den Faltenbalg ergibt sich die Möglichkeit des Tilten und Shiftens – also der Korrektur bzw. des Setzens von Schärfeverlauf (ScheimpflugTilt) und Perspektivischen Verzerrungen (Shift). Eine Möglichkeit, die in der Kleinbild- oder Mittelformatfotografie nur durch spezielle und nicht gerade günstige Objektive zu meistern sind. Die Graflex Speed Graphic ist in der Bucht bereits für 300€ zu finden. Ich hab meine vom Meister Trent erstanden. 😉

Zeit und Muße sollte ich in nächster Zeit hoffentlich finden. Und wenn Ihr demnächst einen zauseligen Tropf in der Stadt seht, der mit freigelegtem Maurer-Dekolltee vor der Mattscheibe einer Laufbodenkamera steht, schenkt ihm ein Lächeln und fragt ihn bitte nicht nach Lightroom-Presets.


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24 Responses

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  6. moin moin,

    ich kann dich gut verstehen, wenn ich meine Analogen nicht nutze und mit dem Boliden unterwegs bin fange ich an mich selbst zu beschneiden, indem ich das Vorschaubild aus lasse und erst nach 24 oder gar 36 aufnahmen aufhöre egal, was da gerade kommt..schwer genug …und mir die Fotos erst 2 tage später am Rechner angucke so habe ich die Zeit auch entschleunigt im digitalen sinne.

    Aber die guten alten analogen und die Duka sind schon echt ein Lebensgefühl, wie du gesagt hast wie eine gute alte Schallplatte und ein netter tropfen dazu..sehr feiner und schöner Artikel. Danke dafür

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  12. Hallo Stilpirat, ich habe auch einige Jahre die Fotografie im Großformat betrieben.
    Es ist zwar sehr aufwändig und oftmals wird das ganze Zeug auch unnötig herumschleppt, einfach weil dann nach Stunden das Licht doch nicht paßt und man den Velvia nicht vergeuden will…
    Aber wenn dann die GF-Dias auf dem Leuchtpult liegen und man mit der Lupe den Detailreichtum sehen kann… die Ergebnisse lohnen den ganzen Aufwand.
    VG, Heinz

  13. Wo wir gerade bei analog sind – kannst du einen Scanner empfehlen? die meisten scannen ja leider nur in Rahmen, die Perforierung des Films werden abgeschnitten – any Tips?

  14. Nun melde ich mich hier als bisher stiller Leser auch mal zu Wort. Aber wenn wir ab jetzt schon die gleiche Kamera benutzen (was ja analog schon eher selten ist), dann möchte ich auch die Gelegenheit nutzen und Dir viel Freude und Erfolg damit wünschen. Meine Speedy erfreut mich nun schon seit über einem Jahr immer aufs Neue.

    Ich bin echt gespannt, was Du in Zukunft damit anstellen wirst. Gruß, Ronnie

  15. Ja, aber dann sind alte Platten alte Platten. Ich für meinen Teil kenne niemanden, der sich Lieder rippt, sie mit Rauschen und Kratzen versieht und dann wieder als CD brennt.
    Versteh mich nicht falsch, ich mag den Look ja auch – aber warum trauen sich so wenig, die gerne den analogen Look imitieren, an die analoge Fotographie ran?

  16. Jau… da gehören wir dazu! Wann immer wir die Zeit dazu haben, werden alte Platten aufgelegt. Dazu ein Glas Roten (oder 2) und schön in Erinnerungen schwelgen. Aber zurück zur analogen Fotografie…
    Ich finde ebenfalls, dass es kaum was schöneres gibt. Einziger Nachteil in unserer schnelllebigen Welt, die Wartezeit bis der Film a) voll und b) entwickelt ist. Vielleicht ist es auch ein Vorteil!?!
    Nochmal zu den Platten… wir haben hier eine „one more time“ (CD) stehen, die bekommt den alten Sound fast hin… göttlich! 😉
    Jedenfalls viel Spaß und Freude mit deinem neuen „Spielzeug“.

  17. @Tobi:
    Im Grunde kann das ja jeder halten wie er will. Ich persönlich mag Vignettierung und digitale Crossentwicklung…
    Mir ist „digital“ einfach zu perfekt… Es gibt auch Leute, die hören Vinylschallplatten, obwohl (oder gerade weil) sie knistern…

  18. Ouwa, da triffst du auf was bei mir. Ich träube ja schon lange von einer Großformat-Kamera. Eine Linhoff wär‘ super, aber da ist vielleicht ein zur großes Investitionsvolumen nötig, wenn wir so wollen. Arca-Swiss genauso. Ich hab auch einmal an eine Graflex oder an eine Tachihara gedacht, einfach gebaute 4×5 Großformat-Lautbodenkameras.

    Etwas ganz anderes ist aber, was du über die Lightroom-Presets sprichst. Ich mache es zwar auch hin und wiede,r aber so ganz kann ich mich mit dem analog „nachempfinden“ eines digitalen Fotos nicht anfreunden. Extra Vignettierung und Farbfehler – das sind Sachen, bei denen ich nicht verstehe, warum man sie einfügt. Wenn das Foto so aussehen soll wie analog, warum macht man es dann nicht gleich analog? Ist analoge Fotographie zu schwer? Ist sie zu teuer (Weil KB und MF ist jetzt nicht sooo teuer wie alle tun, ich brauche ja nicht meine Bilder von einer Vollformat-DSLR mir 2000€ Linse auf Lomo trimmen). Aber das schweift vom Thema ab. Geht mich nix an, ich lass das lieber.

    Aber auf jeden Fall viel Spass mit der Graflex und noch ein paar Fragen danach: Umkehr-, Negativ- oder BW? Selbstentwickeln oder Labor?