13
Jul
2010
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Von der Kunst der richtigen Auswahl

„Willst Du gelten mach dich selten!“ wusste schon meine Großmutter. Ich will Euch hier nicht mit längst bekannten Weisheiten langweilen, dieser Spruch kommt mir immer wieder in den Sinn, wenn ich die Auswahl der Bilder für einen Kunden zusammen stelle.

Sind wir mal ehrlich zu uns: Nicht jedes Foto was wir als gebuchte Fotografen auf dem Job machen ist ein Treffer! Kann gar nicht! Irgendwer hat immer gerade die Augen zu, leckt sich die Lippen, oder dreht sich gerade um…

Ich habe mich in den letzten beiden Jahren wieder intensiver mit Analog-Fotografie auseinander gesetzt um mal wieder den Wert eines Fotos für mich neu zu definieren. Lieber einmal weniger „draufhalten“ als einmal mehr. Doch dann kommt der Kunde und möchte möglichst von allen wichtigen Eckpfeilern einer Veranstaltung wenigstens eine Handvoll schöner Fotos. Und wieder erwischt du dich dabei, daß der eigene Auslöser im Sekundentakt kracht. Ich muß mich dann immer an den Mike Larson Workshop erinnern. Mike sagte: „Wen kümmerts? Pixel kosten nichts! Mach Fotos! Bei 50 Bildern findest du mehr Gute als bei 5…“ …hat er irgendwie auch recht… Nun ja, die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen.

Zurück zum Thema. Ich persönlich halte die Kunst der Auswahl für einen ebenso wichtigen Punkt wie die Vorbereitung und die Performance.  Der Kunde will zwar immer möglichst „viele Bilder“, doch ziehen die Bilder, die eben keine Kracher sind, das Niveau der Gesamtauswahl nach unten. Ich gehe hier mittlerweile recht rigoros vor: Ein Bild, welches mir nicht in den ersten 7 Sekunden irgendwas sagt, fliegt raus! Mein Schnitt bei Hochzeiten liegt momentan immerhin 1:3 bis 1:5 – also jedes dritte bis fünfte Bild bleibt. Bei „roundabout“ 1.500 Fotos pro Hochzeit bleiben etwa 400-500 übrig.

Mir geht es bei der Auswahl jedoch nicht um fotografische Beweihräucherungen, sondern darum die Geschichte des Moments einzufangen. Dieses Kriterium ist mir persönlich wichtiger, als ob das Foto schlecht geschnitten oder etwas über- oder unterbelichtet ist.

Versetzen wir uns in den Kunden: Eine OnlineGalerie mit 1.500 Fotos bei dem die Augen des Kunden beim durchblättern nur jedes fünfte Mal leuchten ermüdet und hinterlässt die Botschaft: Der Fotograf war nicht schlecht! Blättert der Kunde durch die Onlinegalerie mit 400 Fotos und bleibt bei jedem Foto „hängen“, freut sich, entdeckt, schmunzelt…, dann ist das ein Ergebnis mit der Botschaft: Der Fotograf war geil!

Ich hab neulich mit einem Brautpaar gesprochen, die mir sagten, daß sie schon einige Fotografen angefragt haben und das Gefühl hatten „Je teurer der Fotograf, desto weniger  garantierten Output, dafür aber jedes Bild ein Kracher„. Aus Fotografensicht denkst Du sofort: „Klar, wenn ich Dir von Deiner Hochzeit hinterher nur die 50 absoluten Kracherbilder zeige und dabei mein Kurs gewinnt, bin ich dabei!

Die Frage ist: Wer weiss heute noch, welche Fussball-Nationalmannschaft durch Verlängerung oder Fehlentscheidung des Schieri´s Weltmeister geworden ist? Die Antwort ist einfach: „Keine Ahnung! Ich weis nur noch WER Weltmeister geworden ist – das Ergebnis zählt halt!

Was denkt Ihr?

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7 Responses

  1. Super Artikel!
    Es beruhigt mich ungemein, dass bei Dir von rund 1500 Fotos am Ende „nur“ ein Drittel übrigbleibt. Meine Verlobte und ich haben vor kurzer Zeit ebenfalls eine Hochzeit fotografiert und hatten ca. 1300 Fotos, von denen ca. 300 ausgewählt wurden. Alle 300 Fotos bekamen die typische Bearbeitung (Helligkeit, Weißabgleich, etc.) und ca. 100 davon bekamen noch ein paar kleine Retuschetricks. Da meine Verlobte und ich auch mit dem Gedanken spielen, das beruflich zu machen, habe ich mich immer gefragt, wieviel Fotos wohl „ok“ sind. Nachdem Mike Larson etwas von über 10.000 Fotos erzählt hatte (die Fotos seiner Assistenten inkl.), von denen ca. 2000-3000 verwendet werden, war ich ganz schön eingeschüchtert…

  2. Ich kann Dir nur recht geben.
    Ich versuche aber trotzdem die schiere Anzahl an Bildern zu reduzieren, um die Zeit vor dem Rechner zu minimieren. Das gelingt aber nur peu à peu.. Erfahrung macht da ne ganze Menge aus, denke ich..

    Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kunden und andere Menschen mit weniger (Quantität) zufriedener sind.
    Wenn mir schon das Auswählen schwer fällt, wie soll dann ein Unbedarfter die Auswahl treffen?

    Wieder ein schöner Artikel!

    M.

  3. Michael Zielinski

    Ich kann Stefan nur aus eigener Erfahrung zustimmen. Beim durchsehen unserer Hochzeitsbilder wollte der Fotograf eines gleich löschen, was uns aber immernoch besonders gut gefällt – es war zwar leicht unscharf, brachte aber eine tolle Stimmung rüber.

    Ich finde es recht einfach, von 10 fast gleichen Fotos 9 zu löschen. Aber bei unterschiedlichen Motiven fällt das löschen schon schwerer….

  4. Aus meiner Sicht hast Du vieles richtig beschrieben, aber einen Punkt kann ich aus meiner Erfahrung hinzufügen: Bilder, die ich toll finde, sind nicht unbedingt die Bilder, die der Kunde toll findet. Deswegen gebe ich dem Kunden lieber ein paar Bilder mehr.
    Die 50 Kracherbilder kann ich in einer Extragalerie zeigen, so dass der Kunde auch so schnell einen Überblick bekommt.

  5. Stimme dir absolut zu. Schön finde ich besonders, dass unser Vorgehen, was die Auswahl betrifft, identisch sind. Auch wenn der Kunde sich 1500 Bilder anschaut. Wer will das. Ich nicht.
    In meiner Anfangszeit habe ich auch permament draufgehalten. Kostet ja nix. Aber der Folgeaufwand ist enorm. Allein das Sichten von > 2000 Bildern ist mühsam. Irgendwann habe ich dann versucht die Grenze von max 1500 Bildern nicht mehr zu überschreiten – ohne dabei Abstriche bei der Motivwahl und Momentaufnahmen machen zu müssen. Das lernt man aber erst von Zeit zu Zeit und diversen Aufträgen bzw. Versuchen, wie ich finde.

    Und die Aussage, “Je teurer der Fotograf, desto weniger garantierten Output, dafür aber jedes Bild ein Kracher“ habe ich auch schon mehrfach gehört – mit genau der Anzahl Bilder: 50.

  6. Ich bin kein professioneller Fotograf, aber ganz ehrlich, wenn ich manchmal sehe was so mancher Profi so abliefert denke ich mir, das könnte ich auch. (nur damit das klar ist, damit meine ich nicht dich! 😉 ) Und das kommt sicher durch die Masse der Bilder, da ist einfach oft zu viel mittelmäßiges dabei.
    Ich persönlich finde 4-500 Bilder schon extrem viel. Klar, der Kunde kann dann nochmal selber weiter selektieren, aber wer hat denn Lust das alles durchzugucken?

    Ich fotografiere nur analog und erwische mich selber dabei wie ich jedes einzelne Bild einscanne, eben weil es Geld gekostet hat und Arbeit drin steckt, aber ganz ehrlich wenn ich mir von einem Urlaub hinterher 10 Kracherbilder angucke find ich es vielleicht schade, dass es nicht mehr sind, aber es freut mich trotzdem. Wenn ich mir 100 Bilder angucke die alle nicht schlecht sind bin ich trotzdem irgendwann gelangweilt.

    Weniger ist mehr! Klingt banal, ist aber wirklich so.