Taxi fahren in Vietnam
Es gibt gute Menschen und es gibt böse Menschen. Und es gibt den vietnamesischen Taxifahrer. Ich hab keine Ahnung, was den lieben Herrgott geritten hat, als er Selbigen erschuf. Zwischen freundlich-dumm und gerissen-falsch bietet der vietnamesische Taxifahrer einen breit gefächerten Strauss an verrückten Attributen und deren Kombinationen zueinander. Ein Attribut wird dabei allerdings fehlen: langweilig! Ich komme nach und nach dahinter, dass es leider keinen Trick gibt, einen Taxifahrer zu finden, der dich nicht verarscht, komplett kenntnisfrei ist oder mit seiner Blödheit überrascht. Manipulierte Taxameter sind für mich mittlerweile noch das kleinere Übel.
Eine freundliche Dickbacke mit frisch gebügeltem Hemd stellt sich mir in den Weg:
Er: „Taxi Sir?
Ich: „Yes! I need to go to the Central Station in Phan Tiet. Train… you know?“
Er: „Oh yes Sir, Trai Staschon“
Ich: „Yes, how much??“
Er: „Hau masch, haumashh Sir, yes, yes.“
Hm. Ich mache ein fragendes Gesicht und reibe den Daumen und Zeigefinger zum „Geldgruss“
Er: „100.000 Dong, Sir.“
ok, das scheint mir ein guter Preis. Auf der Hintour hab ich Sindbad 200.000 in den Rachen geworfen. Mist!
Ich: „ok…“
Ich steige ein, er packt meine Tasche in den Kofferraum, setzt sich ans Steuer und wartet auf meine Anweisung. Hm. Ich schaue ihn verwirrt an und wiederhole ich mein Ziel: „öööhm, Central Station?“
Er: „Oh yes Sir, Trai Staschon, yes yes, hah ha“.
Dickbacke scheint durch und durch konfus. Mist! Ich überlege kurz, wieder auszusteigen und ein anderes Taxi zu nehmen, schaue mich aber noch mal um: niegelnagelneues Taxi, Navigations-System, Dickbacke hat ein frisch gebügeltes Hemd an… scheint alles in Ordnung hier. Ok, ich geb ihm noch ne Chance. Langsam (sehr langsam) setzt sich das Auto in Bewegung und sein Fahrstil lässt die Vermutung zu, das Dickbacke heute morgen irgendwelche Pilze gefrühstückt hat, die eine Fahrt mit einem Auto nach europäischen Maßstäben unmöglich macht. Er entscheidet sich für die Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h und ich bin zumindest, was diesen Teil der Fahrgastbeförderung angeht, beruhigt. Die Fahrt sollte nach meinem Distanzverständnis etwa 30-40 Minuten dauern und ich habe etwa 30 Minuten „Puffer“ bis zur Abfahrt des Zuges. Also eigentlich alles gut. Doch bereits nach 10 Minuten stoppt er unvermittelt und steigt aus. Hä? Was macht er denn jetzt? Vor uns ist eine Unterführung mit einem Schild, auf dem eine Höhenangabe angebracht ist: 3,50m Dickbacke kontrolliert nun kurz „auf Sicht“, ob er mit seinem neuen Taxi darunter durchkommt. Ok, seine Intelligenz scheint nicht groß genug, um sich merken zu können, dass er selbst, kleiner als 3,50m ist und sein neues, tolles Taxi ihm nur bis zum Hals reicht. Und es scheint ihn zu beruhigen, dass er sich nicht mit dem Kopf an der 3,50m hohen Unterführung stösst und er entschliesst sich zur „Weiterfahrt“. Ok… 35 km/h linke Seite… Ich setze meine Kopfhörer auf und beginne mich mit etwas Chopin zu beruhigen. Nach weiteren 10 Minuten hält er plötzlich wieder an und befragt einen Passanten nach dem Weg (!!???) Dem Weg zum Hauptbahnhof !!!?? Ich fürchte, ich bin sein allererster Fahrgast „ever“ und Dickbacke ist etwas überfordert, dass er nun gerade diese erste Fahrt mit einem Ausländer durchführt, dessen Sprache er nicht versteht. Der Passant wedelt laut mit den Armen und wir „fahren“ weiter. Gottimhimmel!! Bitte mach das alles gut wird. Ich schiele auf die Uhr. Noch ist Zeit genug. Unsere Reise wird mir langsam unheimlich, denn statt in die Stadt rein, fahren wir aus der Stadt raus. Ich versuche mein Glück mit einem erneuten „ööööhmmm sorry – central station!! Train…!“ Ich mache dabei das Geräusch einer abfahrenden Lokomotive. „tff-tff, tff-tff“
Er: „Ahaa yes yes Sir, ha ha!!“ Dickbacke kann also immer noch lachen… Vielleicht kennt er ja eine Abkürzung.
Ich sollte mich irren und wie ich mich irren sollte! Denn an einem Bahnübergang, mitten im Niemandsland hält mein gut gelaunter Freund nun an, steigt aus, öffnet die Kofferraumklappe und will meinen Koffer herausnehmen.
Ich: „Sorry?? What´s wrong??“
Er: „Train – tff-tff, tff-tff“ aha – auch er kann ein Dampflokgeräusch machen. Und dann: zeigt er mit dem Finger auf das Gleis. WTF!!!?? Mir schlägt mein Piratenherz bis zum Hals. Der Typ will mich allen ernstes hier an diesem Bahngleis „in the middle of nowhere“ abladen? Was zum Henker denkt er, was ich hier vorhabe? Ich beginne nun zum ersten mal hier meinen Puls zu spüren. Unter Ausrufung, diverser ernst gemeinter Schimpfworte, nimmt sich Dickbacke ein Herz und packt wieder alles ein. Jedoch scheint er verwirrt. Ich fingere mein bereits vorsorglich gekauftes Zugticket heraus und halte es ihm unter die Nase. Dickbacke betrachtet das Zugticket nun gleich eines Archäologen, der einen Knochenfund begutachtet. Ich hab gerade meinen Zeitpuffer von 30 min. erreicht. Atemübung! Immer noch verwirrt fragt er nun einen Kioskbesitzer, der in dieser Einöde, auf der gegenüberliegenden Strassenseite, Tee feil bietet. Nun starren sie zu zweit auf das Zugticket. Ich kann nicht mehr!! Die Ur-Uroma (geschätzt) des Kioskbesitzers schleppt sich nun zum dynamischen Duo, welches immer noch über dem Zugticket grübelt. Sie scheint sich zu erinnern, schon mal so etwas wie ein Zugticket gesehen zu haben, denn nun wedelt sie mit den Armen. Soll ich was sagen oder bin ich einfach ganz still und „geniesse“ den Moment!?
Dickbacke schaut nun auf die Uhr und steigt relativ hektisch ins Taxi. Ich hätte 20 Euro darauf wetten können, dass er nach spätestens 10 weiteren Minuten ein weiteres mal hält und eine Passantin nach dem Weg fragt und hätte gewonnen (wir reden hier immer noch über den Hauptbahnhof!!??). Wir stehen also wieder am Wegesrand. Nach einem Telefonat der Passantin mit irgendjemandem, scheint sie nun gewillt und wissend uns zu helfen und pardauz, steigt auch sie ins Taxi ein. Ok!? Nun wird’s groovy! Sie grüsst mich freundlich und wir „düsen“ im „30km/h-auf-freier-Landstrasse-Sauseschritt“ los. Ich sehe mich in der Spiegelung des Seitenfensters kopfschüttelnd auf die Lippen beissen.
Nun fahren wir wieder zurück in die Stadt und ich beginne die leise Hoffnung zu hegen, möglicherweise doch noch rechtzeitig da zu sein und den Zug zu erwischen. Und Siehe da!! In der Ferne sehe ich das vertraute Bahnhofsgebäude und ein Tränchen der Rührung rinnt mir übers Kinn. 5 Minuten vor Abfahrt des Zuges nach Saigon hält ein kleines grünes Taxi vor dem Hauptbahnhof in „Phan Tiet“ und macht die 3 Insassen sehr glücklich. Vorübergehend. Denn nun dreht sich Dickbacke allen ernstes um und zeigt mit dem Finger aufs Taxameter: 350.000 Dongh steht da. Das sind 250.000 mehr als abgemacht, doch Dickbäckchen scheint sehr glücklich. Hat er doch gerade mehr Geld verdient als ursprünglich angenommen. Nun schaue ich verwirrt!??
„Du willst den VOLLEN Preis????“
Er: „ja, ja, sänk ju, volle preis!“
Ich (sehr laut): „Hahahahahahaaaaa.“
3 Minuten später sitze ich im Zug und schütte mich aus vor lachen. WOW! Das war ja geil!