Der Sinn im Unsinn
Wenn ich mir die letzten Masterclass und Workshop Reviews anschaue, scheint es mir, als finde ich mich immer öfter in der Rolle des Psychoanalytikers, denn des Fotografen ein. Oft überfordert von den technischen Abläufen und gefesselt im selbst auferlegten Regelwerk, sitzen immer wieder Teilnehmer vor mir und schütteln, ob der einfachen Kooperation zwischen mir und der Technik, ungläubig den Kopf. Ja, ich benutze Blitze gern völlig anders, als gemeinhin gelehrt wird, schiebe merkwürdige Dinge vor das Objektiv und halte Kommunikation für einen wesentlich bedeutenderen Teil der Fotografie als die Technik. Dabei fällt mir zunehmend auf, dass ich immer ungeselliger werde, wenn mir Fragen über die genutzte Blende oder Verschlusszeit diesen oder jenen Fotos gestellt wird und ich entschuldige mich hier und jetzt für immer und alle Zeit dafür. Es gibt in meinen Augen nur eine gültige Antwort darauf: Es ist scheissegal! Viel wichtiger ist, warum du das Foto gemacht hast und was der Betrachter inhaltlich oder emotional damit anfangen kann.
Auch die unsägliche Bildkritik-Runde von Paul und mir war im Grunde nur ein Kommunikationsfehler und „by the way“ – ich stehe zu jedem Wort, dass ich gesagt habe. Wenn von mir erwartet wird, dass ich die Bearbeitung inhaltsleerer Fotos bestaune oder das technische Niveau eines Fotografen beurteilen soll, bin ich der falsche Adressat. Das hätte ich fairerweise vorher sagen sollen… ich dachte halt, „man kenn mich“. Die Reaktionen auf unser Tête-à-Tête zeigten mir aber wieder deutlich, dass sich „der Fotograf“ in Grenzen und Regeln wohlfühlt und bitteschön- dass war es, was von uns im Grunde erwartet wurde: Die Beurteilung eingehaltener Regeln.
Dabei merkt manch einer gar nicht, dass er mehr damit beschäftigt ist, seinen eigenen Käfig zu bauen in dem er dann sein Leben lang sitzen will, statt sich zu überlegen, wie man fliegt. Wie schrieb Christoph neulich sehr treffend:
„Scheiss auf neue Kameramodelle jedes Jahr, die übernächstes Jahr eh wieder veraltet sind. Scheiss auf Identifizierung über Marken. Scheiss auf noch größere Sensorgrößen. Scheiss auf höhere Megapixelzahlen für Fotos, von denen man ehe keine Prints macht. Scheiss auf noch höhere ISO-Bereiche, damit ich nachts fotografieren kann als wäre es Mittag. Scheiss auf Pixelvergleicherei und Nörgeln über jeden kleinen Fehler einer Kamera, die man auf echten Fotos sowieso nicht mehr bemerkt. Scheiss auf die Entscheidung, welche Linse für welche Situation am besten sei. Scheiss auf endlose Nachbearbeitung. Scheiss auf Film. Scheiss auf alternative Prozesse um des Prozesses willen. Scheiss auf stundenlange Sitzungen in der Dunkelkammer für den perfekten Abzug. Scheiss aufs Hochladen jedes durchschnittlichen Bildes an alle Ecken des Internets für die 15 Minuten Ruhm. Scheiss auf alles. Denn am Ende interessiert sich niemand dafür. Was wirklich zählt ist das Foto. Und nur das.“
… und bekam nicht nur von mir zu Recht Applaus (und bevor sich manch einer diesen Text wörtlich reinzieht: Es ist als Gleichnis zu verstehen). Macht euch frei von diesem Foren-Irrsinn, in dem selbst ernannte Flachwichser Regeln diktieren und sucht den Sinn im Unsinn! Sei du selbst, hör auf dich und mach was dir gefällt (es sei denn du kannst Batman sein. Dann sei Batman!)
Oder um es etwas lyrischer zu formulieren: „Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“ (Antoine de Saint-Exupery)
Eine schöne Woche wünscht euch
Euer Stilpirat
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