14
Aug.
2016
30

Schottland (1)

Sonntag, 6 Uhr, die letzte Tasche fliegt in den Kofferraum und der Diesel rüttelt beim Start. Melody Gardot begleitet mich durch die neblige Heide und gibt den Staffelstab irgendwann hinter Bremen an Tom Waits ab. Noch sieben Stunden Autofahrt bis Calais und die Gedanken fliegen. Lautstark singend, den Apfel statt eines Whiskeyglases in der Hand, intoniere ich die alten Pianobar-Schinken, durchquere die Niederlande, Belgien und Frankreich… am Abend dann ein kleines Hotel an der Straße, mit Leuchtturm im Blick und Billardtisch im Foyer. Ich stelle den Martini an den Tischrand und beweise mir, was für ein lausiger Spieler ich doch bin. Ein Cheers auf alle, die noch wach sind… und Schottland. 

Am nächsten Morgen geht es durch den Tunnel nach Dover, später Stopp-Over in Cambridge… dann ignoriere ich Glasgow zur linken und fahre direkt nach Northtumberland…

Schottland – dieses Einod, bei dem die Bewohner bei 22°C unter der Hitze stöhnen und wo Regenschirme nur was für Touristen sind. Man ignoriert den Sprühregen mit einem Lächeln und grüßt freundlich, „…that´s it“. Ich habe hier oben eigentlich keine Route und keinen wirklichen Plan – etwas wandern, umsehen, runter kommen. Die Anfahrtspunkte werden eher dadurch bestimmt, wo es noch eines der äußerst raren Zimmer in einem Bed & Breakfast gibt. Jetzt im August lächelt dich jeder Hotelier und B&B Host nur müde verneinend an, noch bevor du deine Frage nach einem Zimmer am Tresen äußerst. Und wenn dich nach Stunden des Fahrens gegen 22 Uhr Abends bei Sturm und Wind diese aggressiven „no vacancies“ von den Bed & Breakfast-Schildern anbrüllen und du so langsam den Mut verlierst, dann auf dem Parkplatz mit knappem Handy-Empfang die Booking.com Seiten nach Stornierungen durchsuchst und dich damit abfindest, im Auto zu pennen, weil selbst die hinterletzte Drogenhöhle in Fort Williams im 8-Bettzimmer keinen Platz mehr hat, beginnt die eigene Naivität etwas zu nerven. Aber irgendwie telefonieren sich die Rezeptionisten der Hotels dann auch noch um 0 Uhr zusammen und offerieren dir ein Bett in einem 40km entlegenen Kaff ohne Strassennamen, dafür aber mit Meerblick…

Und dann wachst du auf, starrst in den Wechsel aus Stark- und Sprühregen, kämpfst dich an der Küste durch knallenden Wind und trocknest die Hose bei plötzlich auftretender Sonne und 14 Grad. Nie war mir das Konzept des warmes Tee´s so überzeugend Nahe…

Ein Cheers auf die Ruhe, die Gelassenheit und den Whiskey – man muss Schottland einfach lieb haben.

Soundtrack:

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11 Responses

  1. Auf der Isle of Skye gibt einen super netten Aussteiger Namens Phoebe mit selbst gebautem Hotel, zwei zerstrittenen Katzengeschwistern und Steinwayflügel im Teezimmer.
    Name ist Redwood House…
    Ist der perfekte Ort um die Einsamkeit zu ertragen.

  2. Jens

    Ich war 2015 in Schottland und die Stimmung deiner Bilder kenne ich nur zu gut.
    Schottland ist einfach traumhaft, auch oder gerade bei Mieswetter.
    Wenn du es einrichten kannst, fahre mal durch Glen Coe….beeindruckend, dort wurden Filmszenen von Skyfall und Harry Potter gedreht.
    Ich war garantiert nicht das letztemal in Schottland
    Slainte

    Viel Spass noch.

  3. Volker Krause

    Fahr nach Skye! Wunderschöne Insel. Du hast alles – Berge, Meer, schöne Dörfer, nette Menschen und …. tolles Licht! Nicht umsonst leben hier viele Photographen!

    1. Markus

      Skye ist auf jeden Fall einen Abstecher wert. Und es gibt die tollsten Fjorde dort. Der schönste ist aber für mich dort, wo das Eilean Donan Castle steht. (da wurde Ritter der Kokosnuss gedreht). Lichtspiele vom Allerfeinsten.

  4. Markus

    Schottland berührt Herz und Seele. Ich zehre immer noch von einem Urlaub 1999 dort. Es waren tolle drei Wochen immer an der Küste lang, angefangen in Gretna Green bis in den hohen Norden und an der Ostküste zurück nach Hull. Schottland ist eine raue Schönheit, die einen nicht mehr loslässt. Irgendwann werde ich sie wieder besuchen.

  5. Wirklich wunderschön! Ich wollte diesen Herbst auch nach Schottland – dann aber doch mit dem Wohnmobil (ausgeborgt versteht sich), sind die rund 20h Fahrt von Österreich dann doch etwas viel. Ich glaub, das wird es dann doch eher nächstes Jahr spielen – ich freue mich jedenfalls auf die nächsten Beiträge!

    LG,
    Florian

  6. Olly

    Wunderbar! Ich verbrachte Ende Juni in Schottland und bekam seinerzeit einen Vorgeschmack auf die nerveaufreibende Suche nach einem B&B und das obwohl dies meine drite Schottlandtour war und ich es eigentlich hätte wissen müssen.
    Wenn es sich ergibt mach einen Stopover in Crovie und dem gleich nebenangelegenem Penan – für mich die schönsten Küstenorte Schottlands. Penan diente seinerzeit als Filmkulisse für den Film „Local Hero“ mit Burt Lancaster. Halte Ausschau nach der einzigen roten Telefonzelle im Örtchen..