Saigon / Ho Chi Minh City – Stadt der Gegensätze
Saigon (oder politisch korrekt „Ho Chi Minh City“) in einer Blogpost „zu beschreiben“ ist unmöglich. Diese 7 Millionen Metropole, in der fast ebenso viele Motoroller unterwegs sind wie hier Menschen leben, ist in einigen Teilen von einer europäischen Großstadt fast nicht zu unterscheiden. Gucci, Versace, Burger King – man muss auf nichts verzichten. Wiederum erinnern doch auch genug Reste daran, dass wir uns in der ehemaligen Hauptstadt Vietnams befinden.
Nach den missglückten Versuchen der letzten Woche, in vietnamesischen Familien unterzukommen, wurde ich hier von der wahrscheinlich herzlichsten Familie Saigons empfangen. Ein Festessen zum Empfang, Reisschnaps und viele Fragen – so hab ich es gern!! Ich wurde sofort mit offenen Armen in den Kreis der Familie aufgenommen und darf am Alltag teilhaben. Papa wurde dazu verdonnert, mich einen ganzen Tag mit dem Moped zu den Hotspots Saigons zu karren (was er dann auch mit einer unglaublichen Gemütsruhe tat) und der Rest der Familie macht Pläne, empfiehlt, kümmert sich… Hach <3
Ich begann den ersten Tag meines Besuches in Saigon mit etwas Geschichte und besuchte den ehemaligen Regierungspalast (oder auch Wiedervereinigungspalast). Ein weiss getünchter Betonbau aus den 1960/70er Jahren, dessen sozialistische Architektur und Inneneinrichtung mich stark an meine Kindheit in der DDR erinnerte. Ich lies keinen der Räume aus und wollte anschliessend die Fotoausstellung zum Vietnamkrieg „The Truth of War“ im Kriegsmuseum besuchen, was ich dann auch tat. Doch damit war der Tag dann für mich auch gelaufen. Ich hab noch nie so eindringliche und entsetzliche Aufnahmen gesehen, die mich so tief erschütterten und ich gebe zu, bereits nach der ersten Fotostrecke „Children in War“, stand mir das Wasser dick in den Augen. Um ehrlich zu sein, war das einer der Gründe, warum ich gestern auch nicht viel zustande gebracht habe – weder fotografisch noch mit Geschreibe. Die Ausstellung zeigt ungeschönt und brutal, wozu Menschen (in diesem Falle Amerikaner) in der Lage sind – nicht mehr und nicht weniger – nichts für schwache Nerven und doch Pflichtprogramm. Ich ging anschliessend nur noch ziellos durch die Stadt, bis die Sonne unterging…
Heute standen die Tunnel von Cu Chi auf dem Plan. Ein Tunnelsystem, dass mit blosser Hand gegraben, den Vietcong als Unterschlupf und Wohnraum diente. Begonnen wurde ihr Bau bereits während des Krieges gegen Frankreich um 1948, wurde dann im Vietnamkrieg auf eine Länge von 200km (!!!) ausgebaut. Dort lebten viele Jahre Menschen unter der Erde, gingen zu Schule, heirateten… nur Nachts kamen sie heraus. Nach der Foto-Ausstellung gestern wohl eigentlich keine gute Idee um meine Laune aufzubessern, doch interessierte mich schon, was damals hier los war. Leider war der Ausflug ein totaler Reinfall. Unser Tourguide – möglicherweise mit Vollklatsche zu Welt bekommen – machte aus diesem wirklich traurigen Thema, eine Witzveranstaltung. Ihm war kein Joke zu schlecht und kein Wort blutig genug, um mit Freude und Stolz im Gesicht, darzustellen, mit welch perfiden Mitteln hier auch der Vietcong den Amerikaner niedermetzelte. Zwischendurch – warum auch immer – mal das Wort „Party“ in den Wald gebrüllt und die Besucher gebeten, man solle doch auch mal Vietcong spielen. Haha. Wer von Euch will denn mal in eine Bambussspitze-Falle springen? Achja, etwas später gibt’s echte Patronen zu kaufen und man darf mit echten Waffen schiessen. Wer nicht will, kann Coca Cola trinken – hehe… 57.000 Amerikaner haben wir getötet, juchu. Und jetzt krauchen wir alle man durch so einen Tunnel…
Irgendwann war der Spuk vorbei, wir fuhren zurück nach Saigon.
Und ich tat was ich gerne tue: Ziellos durch die Strassen laufen, bis die Sonne untergeht.