10
Nov.
2011
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Hm!

Was treibt mich eigentlich permanent an, überall draufzuklicken? Jede Scheiss-freie Minute wird genutzt, um irgendwas im Netz nachzulesen oder zu bestellen. Und sitze ich mit ein paar Nerds beim Italiener, starren wir auf unser iPhone und „socialn“ in der Gegend rum. Es ist echt die Pest! Das Dumme ist: Ich kann mich davon nicht frei machen. Ich würde mich liebend gern mal wieder „langweilen“. So richtig schön 2-3 Stunden „Nichts tun“– ich krieg es nicht hin. Ist der Verlust von Langeweile nicht irgendwie auch schädlich?  Ich glaub das tut sich für Therapeuten ein völlig neuer Markt auf. 

Wiederum: Ich hab neulich mal wieder versucht, fernzusehen – im Hotel abends nach dem Workshop. Gottimhimmel, was ist denn da passiert? Irgendwie war ich auch wieder froh, dass ich bei mir zu Hause einfach keine Zeit finde, mein Leben diesem Gemisch aus Würdelosigkeit und Hass gegenüber dem Zuschauer, hinzuwerfen.
Und dann hab ich das „wenn“ Spiel gespielt. Das haben wir früher immer als Kinder immer gespielt – wenn uns langweilig war. Kennt Ihr? „Was wäre wenn…“ Je älter ich werde, desto mehr hasse ich dieses Spiel, denn es gibt einem mit zunehmenden Alter nur das Gefühl, hilflos zu sein. Wie hier, zum Beispiel: „Was wäre, wenn es keine Einschaltquoten gäbe? Hä?“  Dann gäbe es möglicherweise auch kein Unterschichten-Fernsehen. Vielleicht würden dann nur noch intelligente Leute zuschauen, die ein bisschen mehr „Knatter“ im Portemonnaie haben und denen man sogar noch mehr überflüssiges Geld aus der Tasche ziehen könnte.
Aber wahrscheinlich haben sie das längst versucht…  Vielleicht ist das Ganze nur ein perfider Plan: Die zeigen einfach diesen gefakten Reality-Quatsch in denen sich die Dummen selbst spielen so lange, bis sogar die Blöden denken, sie wären klüger als die Dummen. Und wenn die dann denken, dass sie klug sind, kann man den „nachrutschenden“ Dummen wiederum noch dümmere Menschen im Fernsehen zeigen, die einen Bauern oder eine Schwiegertochter suchen. Am Ende denken alle, sie wären klug und dann kaufen sie sich iPhones, auf die sie dann permanent drauf starren. Und ehe ich mich versehe, sitzen die dann beim Italiener, „socialn“ in der Gegend rum und sehen so aus wie ich.

Ich muss unbedingt an mir arbeiten.

35 Responses

  1. Pingback : Was war, was wird… | Der Stilpirat

  2. sara

    Ich habe vor kurzem mal gelernt, dass es langeweile gar nicht gibt. denn langeweile heißt für deinen körper stress. nichtstun ist für deinen körper stress. da werde ich immer ganz ungemütlich, also sehe ich zu, dass ich in ruhe etwas machen kann.
    mit dem TV geb ich dir recht. Das teil ist bei mir auch nur deko, weil da eh nur unsinn läuft (bis auf die eine oder andere doku). aber bevor ich mich dem schwachsinn hingebe, nehme ich lieber ein buch, treffe mich mit freunden, spiel uno oder schnapp meine kamera und mach bilder. wir hat man früher bloß gelebt, als es das WWW noch nicht gab, oder onlinefähige handys? irgendwie haben wir da doch auch überlebt.

    @andreas: Deine Einstellung gefällt mir!

    Grüße Sara

  3. Andreas

    1997 hatte ich das Gefühl, der Fernseher stehle mir meine Zeit und ich büffle besser für die Prüfungen. Ich habe darauf die Kiste einem Freund verschenkt. Und halte unter Anderem das Diplom in Händen.
    Dann trafen sich zwei, von denen die andere auch keine Flimmerkiste hatte; deren Kinder wachsen nun ohne auf. Zumindest zu Hause… Radio und Netz reichen uns vollends.
    Darf ich Dir das hier empfehlen (als Leseprogramm für zwei, drei einsamehotelzimmerwassollichtun-Abende: „Fuck It!“ von John C. Parkin.

    Du musst unbedingt an Dir arbeiten – tu‘ ich an mir auch. Erstmal bin ich gestrandet, bis ich begriff, dass dies nur aus der Ruhe heraus funktionieren kann…

    Heb‘ e gueti Zyyt!
    Andreas

  4. jens

    Hey! Ich habe mir aus diesem Grund ein Hobby gesucht, was zwar meine Affinität zu Elektronik-Spielereien unterstützt, mich aber trotzdem vom „Kreativ sein müssen“, „Produktiv sein müssen“ und dem Internet/Computer weg holt. Wenn ich auf dem Flugplatz bin, bin ich mitten in der Natur, mitten im Funkloch und mitten zwischen super netten Spinnern, die genau so einen an der Waffel haben wie ich. Wir Grillen, Quatschen, Lachen, Basteln… Das hat etwas von früher. Man trifft sich mit Freunden draußen um ein gemeinsames Spiel zu spielen. Die Entscheidung vor einem Jahr, einen ferngesteuerten großen Hubschrauber zu kaufen, war die für meine Seele beste Entscheidung seit dem Zusammenziehen mit meiner Finanzministerin.
    Ich wünsche jedem, dass er eine genau entspannte Beschäftigung für sich findet.

    Jens

  5. Wie Melanie es auch schon angesprochen hat: Urlaub. Ich bin die meiste Zeit des Jahres angespannt, und unruhig, muss jeden Tag meine e-mails checken und socialen‘ um ja nichts zu verpassen. Fernsehen war früher ansatzweise entspannend, heute kommt nur noch unsinniges blödmach-Zeug. Man hat Angst dadurch zu verdummen und haut entsprechende Sender ganz aus der Liste raus, um ja nicht irgendwo hängen zu bleiben, denn dann wäre man ja nicht besser, als die Zielgruppen.
    Naja, zurück zur Entspannung durch ‚Urlaub‘ ohne Smartphone und ähnlichem Quatsch, der einen vom eigentlichen Leben, den Menschen und der Natur um uns herum, ablenken will und auch dazu konzipiert ist: Manchmal muss man sich zu seinem Glück, in diesem Fall der geistigen Entspannung, zwingen. Dazu werde ich bald anfangen Geige spielen zu lernen, ohne Rechnergeräusch. Danke für den Beitrag, hat mich nachdenklich gemacht 🙂

  6. Stauzi

    Zu viel Wertung. Man muss den Fernseher nicht einschalten. Viele schlaue Menschen kommen nicht einmal im Leben ins Fernsehen. Viele dumme Menschen kaufen Deine Buecher und lesen Deinen Blog. Manche schlaue Menschen denken: Guck mal der kriecht für lächerliche 3000€ auf dem Kirchenboden, nur um Fotos zu machen und das den ganzen Tag, der arme Hund. Hoffentlich kann er von den paar Groschen Leben. Alles ist relatv, Hauptsache man ist glücklich mit dem was man tut. Gruss Stauzi

  7. … ich hab mich heute spontan und augeplant mit einem guten Kumpel zum Frühstücken getroffen (10h) und anschliessnd haben wir den Tag auf dem Land verdaddelt. Mit fotografieren und vor allem klönen. Ohne Netzzugang, ohne iFon, ohne Rechner. Funzt. Bienvenue dans la VIE 🙂

    H

  8. Es wird der Tag kommen, an welchem „socialn“ out sein wird, die Menschen wieder echte Bücher (ja, so richtig mit Papier) in die Hand nehmen, eine Schallplatte auflegen anstatt das neueste MP3-Album zu kaufen, wenn man sich wieder mit seinen Freunden einfach mal die Birne zuschüttet, anstatt via icq und anderen Messengern über die Welt zu philosophieren…

    Ach das wäre schön.

  9. Jan

    Du sprichst mir aus der Seele – komm doch mit Paddy nach New York im Frühjahr… Da trinken wir alle einen und socialn mit unseren iPhones in der Gegend rum! 🙂

  10. Fernsehen kann man heutzutage kaum noch, ohne sich aufzuregen und/oder fremdzuschämen. Leider.

    Aus dem Grund, sich mal wieder richtig zu langweilen, wieder erfahren, was Langeweile eigentlich ist, geht es für mich für eine Woche nach Dänemark. Im November ist es dort tot. Kilometerlange Strandspaziergänge und man begegnet vielleicht einem Menschen und einem Hund.

    Das alles ohne Internet, ohne Freizeitbespaßungsprogramm.
    Ein paar gute Bücher, ein paar Filme, keine Arbeit. Schlafen bis mittags ohne schlechtes Gewissen. Essen. Lesen. Schlafen. Essen. Eine Woche lang. Ich bin gespannt, ob mir langweilig wird. 🙂

  11. Hm…
    Bin jetzt etwas verwirrt.
    Willst du dich jetzt über deine eigene Online-Sucht beschweren?
    Oder über das zunehmend schlechter werdende Programm der Privatsender?
    Oder über unser sozialen Strukturen?

    Mit meinem eigenen „Onlineverhalten“ hadere ich persönlich auch. Zu viel, unkontrolliert, immer das Gefühl etwas zu verpassen. Wäre es Alkohol oder ein BTM, dann wäre ich ein Fall für den akuten Entzug. Aber es ist ja nur FB, G+, Reeder, Flickr, 500px usw.
    Persönlich bin ich hier hin- und her-gerissen, die beste Ablenkungen erhalte ich bei einem guten Gesellschaftsspiel, bei einem guten Gespräch oder einem guten Buch. Langweilen oder gar Meditieren geht schon lange nicht mehr.
    Aber hier kann nur jeder selbst etwas für sich tun! Und das Bewusstsein darüber ist der erste Schritt (So wie für einen Alkoholiker zuzugeben, dass er „ohne“ Alk ein Problem hat)

    Über das Fernsehen rege ich mich schon lange nicht mehr auf! 😉

    lg, oli

  12. Oh ich wünsche mir auch mal wieder Langeweile oder sagen wir mal lieber- Zeit, um die vielen Dinge zu tun, zu denen man nie kommt. Vielleicht liegt das aber auch an der Allokation der Zeit. Das sollte man echt öfter mal überdenken und tatsächlich den stumpfen Fernseher abschalten. Seit ein paar Tagen wollte ich früh ins Bett gehen und stattdessen lese ich bis 1 Uhr Nachts mein Buch. Ausgeschlafener bin ich deshalb auch nicht, aber irgendwie zufriedener als mit dem dummen Fernsehen. Zum Thema Smartphone: Ich besitze erst seit ca. 4 Monaten so ein Ding und muss gestehen, vorher ging es mir besser!

  13. Stefan

    Ich hab oft darüber nachgedacht wie beneidenswert ich Dein Leben finde. Wenn man Deinen Blog verfolgt … die Podcasts hört und voller Begeisterung erfährt mit welcher Leidenschaft Du Deiner Berufung nachgehst, denkt man immer … „Wie toll muss es sein, seine Bestimmung gefunden zu haben.“ Nicht nur Das Geld zum Leben mit einer Leidenschaft zu verdienen, nein auch einfach das zu machen … wofür man offensichtlich da ist.

    Einen bestimmten Menschenschlag glücklich zu machen, zu inspirieren, motivieren, anzutreiben… ist etwas einzigartiges und ich finde niemand, den ich kenne, macht das mit mehr Elan und Überzeugung als Du.

    Ich hoffe Dich frisst das nicht auf … vielleicht mal etwas energischer an der Handbremse ziehen 🙂

    Viele Grüße
    Stefan

  14. Mark

    Ein guter Beitrag! Und ein sehr facettenreiches Thema, denn es gibt ja nicht nur die eine bestimmte Art der Langeweile oder des Entspannens. Aus meiner Sicht ist gutes Entspannen oder Erholen – leider – auch mit Arbeit und Aufwand verbunden:
    Man muss sich bewusst machen, was man möchte! Dazu gehört es, verschiedene Alternativen zu finden und diese zu bewerten, vor allem zu schauen, ob einen die eine oder andere näher ans selbst gesteckte „Entspannungs-Ziel“ bringt.

    Der Gedanke dahinter ist „There’s no such thing as free lunch.“. Sofern man sich nicht entspannen will, um die nötige Bettschwere zu erreichen, sondern eher kreativ die Seele baumeln lassen möchte, muss das Gehirn – Obacht, jetzt kommt’s: Arbeiten! Denn nur so werden diese Botenstoffe (wie immer die auch heißen mögen… Dopamin?) produziert, die einem ein gutes Gefühl geben.

    Der Haken an der Sache: Hat man das erst einmal verstanden, brauch man *nur noch* seinen inneren Schweinehund zu überwinden, um sich gute Entspannung zu erarbeiten.
    Und das ist dann der Punkt, an dem ich selbst (gefühlt) viel zu selten diesem allzu einfachen Griff zur Fernbedienung des Flimmerkastens widerstehen kann…

  15. Schöner Beitrag, von der Seele geschrieben!

    Schlimmer finde ich allerdings die ewigen Klugsch**sser, die sofort alles auf ihrem Handy nachgucken müssen, sobald mal etwas nicht 100% klar ist. Solange wie möglich um ein Smartphone drücken ist meine Devise! Und beim Essen und in Gesellschaft hat das Smartphone in der Tasche zu bleiben! Mal schauen wielange es noch geht…

    Besten Gruß 🙂

  16. Mal einen Gang runterschalten, das Tempo rausnehmen, die Seele baumeln lassen….. ganz schwierig Unterfangen bei Menschen, deren Hirn immer auf Volldampf rotieren will.
    Mir hilft es zwar, dass ich zu Hause keinen Computer mehr habe und für das iPhone immer nach der Lesebrille fischen muss, aber die Lesebrille hängt eh immer um den Hals und….. kannst Dir ja denken wie es ausgeht 😉
    Aber: Wer sagt denn, dass man sich langweilen muss um auszuspannen? Wer sagt, dass man sich mit anderen Digen beschäftigen muss als mit denen, die man liebt, um auszuspannen? Ich entspanne mich derzeit einen Nachmittag in der Woche in der Dunkelkammer. Das haben wir jetzt so abgemacht, jeder von uns hat einen nachmittag für seine fotografischen Spielereien in der Woche. Sonst würde uns die Firma auffressen. Und es funktioniert ganz gut. In dieser Zeit machen wir nur, was wir wollen. Was uns Spaß macht. Nicht, was geschafft werden muss. Und iPhone in der Duka ist ganz schlecht 🙂 Ist vielleicht eine Anregung?

  17. SteffenHH

    Du heißt nicht nur wie ich, Du sprichst mir auch aus der Seele…
    Aber hattest Du nicht im Podcast davon geschwärmt, dass Du gerade ein paar Tage mit Nichtstun in der Lausitz verbracht hast?
    Grüße aus der noch nördlicheren Nordheide!

  18. Weg mit Pseudo-Reality, wieder zurück mit gut gemacht Serien, gerne überzogen oder lustig.
    Ansonsten finde ich deinen letzten Satz sehr zum Schmunzeln 😉

  19. Passend dazu kann ich dir die Lektüre „Blödmaschinen – Die Fabrikation der Stupidität“ empfehlen! Lese ich gerade und behandelt im Grunde sehr ausgiebig deine angesprochennen Gedanken bzgl. der „Dummheit“: http://www.suhrkamp.de/buecher/bloedmaschinen-markus_metz_12609.html

    Und das Gefühl mit der Nicht-Langeweile kennen vermutlich viele. Hauptsache wir vermitteln es unseren Kindern nicht zu sehr, dass Langweile etwas schlechtes sein könnte und sie die ganze Zeit bespasst werden müssten! Langeweile soll ja für die Entwicklung und Kreativität sehr hilfreich sein. Also weiter probieren, nichts zu machen 😉