Erste Erfahrungen: Nikkor 24/1,4G
Ich hab es getan! Seit über einer Woche besitze ich das Nikkor 24/1,4 G ED – die „Luxusscherbe„, die „tausend Euro pro Blende über 2,8„, die „das bezahlt Dir kein Kunde “ Objektiv. Ich hab lange hin und her überlegt. Vor allem als Nikon das Nikkor 35/1,4 ankündigte kam ich ins Schwanken… Soll ich wirklich? Ich hab ja das Nikkor 24-70/2,8 – brennweitenseitig bin ich also bereits aufgestellt. Soll man wirklich für den Gewinn von Licht und geringerer Schärfentiefe knapp 2.000€ ausgeben? Ihr könnt Euch nicht vorstellen welche Gewissensbisse man ob des eigentlich fälligen und nun dadurch ausfallenden Familienurlaubes hat. Letzlich gaben 2 anstehende Aufträge, bei denen explizit eine plastisch-weitwinklige Darstellung gewünscht wurden, den Ausschlag. (Ich hab durchaus recherchiert – das Nikkor 24/1,4 gibts in keinem Verleih).
Fangen wir mit einem kleinen geschichtlichem Ausflug an:
Nikon brachte 1994 das sagen-umwobene Nikkor AF-D 28/1,4 auf den Markt. Ein Objektiv, welches unter Kennern als eines der besten – je gebauten Objektive gilt. Objetiv Guru Ken Rockwell bezeichnete es als „absolutely extraordinary lens“ und nahm es in die Top10 der besten je von Nikon hergestellten Objektive auf. Die Scherbe hatte jedoch einen Haken: Sie war sauteuer! Damals wollte Nikon 1.700$ für das Teil und so fanden sich nur wenige Fotografen, die sich dieses Objektiv leisten wollten. Die dadurch recht dürftigen Verkaufszahlen, zwangen Nikon dazu, das Objektiv 2006 wieder vom Markt zu nehmen. Was dann passierte war: Das Objektiv war selten und sein Preis stieg auf Fotobörsen auf über das Doppelte an. Noch heute will der ebayer über 2.000€ für die Linse…
2010 setzt Nikon nun einen drauf und will die „Wunderscherbe“ mit dem 24/1,4 nun noch mal toppen.
Was ist denn nun so besonderes an einer 1,4 Blendenöffnung bei 24 mm?
Unser Auge kennt „plastische Fotografien“ – also Fotografien mit geringer Schärfentiefe erst ab 35mm. Bei dieser Brennweite ist der Schärfentiefebereich bereits bei einer Blendenöffnung von 2,8 klein genug, daß man beispielsweise eine Person „freistellen“ kann (Person scharf – Hintergrund unscharf). 35mm Objektive galten als Standard-Reportage Objektive und so bestimmten sie auch ein wenig unser gelerntes „Sehen“. Alles über 35mm ist ein Kinderspiel – das Bokeh wird schöner und größer und der Schärfentiefe-Bereich wird mit jedem Millimiter mehr an Brennweite, geringer. Im Weitwinkelbereich jedoch (also kleiner als 35mm), gaben wir uns mit 2,8 zufrieden – denn mit Weitwinkelobjektiven fotografiert man Landschaften – eine geringe Schärfentiefe ist also gar nicht nötig. Fotografien mit geringer Schärfentiefe im Weitwinkelbereich sind also wesentlich seltener anzutreffen als die mit großer Schärfentiefe. Und so kommt es, daß wir bei solchen Fotos irgendwie „kleben bleiben“ weil sie ungewöhnliche Perspektiven bei einer wunderbar plastischen Darstellung zeigen. Als ich mein erstes 24/1,4 Foto mit weit-offener Blende sah, war ich hin- und weg… Diese besondere „Intimität“ der Bilder hatte es mir sofort angetan. Mit diesem Objektiv hast du fotografisch-darstellerische Möglichkeiten, die dir als „Standardbrennweitenbesitzer“ verwehrt bleiben. Und das war für mich letztlich der ausschlaggebende Punkt. Ich sehe den Kauf des Objektives als Investition in meine fotografische Entwicklung und natürlich als Investition, mich von den Ergebnissen anderer Fotografen zumindest in der darstellerischen Wirkung abheben zu können.
Wir schlägt sich denn die Linse nun im Fotografen-Alltag?
Nun – man muß den Umgang mit ihr „lernen“, denn Perspektive, Bildschnitt, Winkel und Blende spielen beim Auskitzeln der Möglichkeiten dieses Objektives eine große Rolle. Man kann superleicht Fotos damit machen, die aussehen wie alle anderen Fotos mit weitwinkligen Objektiven. Und sie ist gewiss keine „immerdrauf“-Linse! Bei meinem ersten kleinen Fotowalk war ich etwas erschrocken, denn ich kam mit ner Ladung unscharfer Fotos zurück und war drauf und dran die Linse wieder zurück zu schicken.
Ich prüfte sie mit kleinen Testreihen ausgiebig auf Front- oder Backfokus und siehe da – alles stimmt 100%. Des Rätsels Lösung: Meine Ungeduld! Ich bin nämlich ein „Schnellshooter“. Ich sehe ein Motiv, halte kurz drauf und „zack“ ist das Bild im Kasten. Ich hab mich hier an die Geschwindigkeit des wahnsinnig schnellen Autofokus meines AF-S 24-70/2,8 gewöhnt und das 24/1,4 ist gefühlt eine kleine Ecke langsamer. Außerdem – und das ist wesentlich ausschlaggebender – ist auch bei 24mm bei Blende 1,4 der Schärfentiefebereich klein genug um das fokussierte Objekt nach ausgiebiger Suche erstmal zu „finden“. Bei Blende 2,8 ist das 24/1,4 dann wieder „genauso schnell“ wie das 24-70/2,8. Bei Blende 2,8 „verzeiht“ dir der Schärfentiefe-Bereich eben auch mal ein-zwei Zentimeter.
Der Hammer aber ist: Das Objektiv ist bereits bei Offenblende knackscharf!
Ich hab hier mal zwei Fotos – identisches Motiv – einmal mit Blende 1,4 und einmal mit Blende 4,5 und kann außer der größeren Vignettierung und der zwangsläufig entstehenden Unschärfe im Nahbereich kaum Unterschiede im Fernbereich ausmachen (klick mit link auf unbearbeitetes Original):
Ein weiterer Punkt, der mit diesem Objektiv irre Spaß macht, ist die geringe Naheinstellgrenze von 24cm. In weitwinklige Fotos aus dieser Entfernung möchtest Du am liebsten „reinkriechen“:
Gewicht und Größe:
Hui – das Ding ist für eine Festbrennweite groß (88mm) und schwer (318g) – aber das sind Großformat-Kameras auch – und trotzdem ist man damit rumgelaufen 😉
Das Nikkor 24/1,4 ist ein Objektiv „für´s Leben“. Man liebt es oder nicht. Mich hat es erreicht! Ich hab mich verliebt und freue mich auf jedes Foto mit dem Ding!
Die Photozone hat sich über das Ding ausführlich hergemacht und einen umfangreichen Test geschrieben: http://www.photozone.de/nikon_ff/549-nikkorafs2414ff
Unmengen an Informationen zu diesem Glas-gewordenen Traum hat Ken Rockwell zusammen getragen: http://www.kenrockwell.com/nikon/24mm-f14.htm
Glückwunsch! Ich wüsste mit 24mm Brewnnweite nicht viel anzufangen, fühle mich mit 35 bzw. 85 sehr wohl. 🙂
Wenigstens hat Nikon seine Hausaufgaben gemacht, und dem Linschen eine schöne Asphäre verpasst. So freut sich der Fotograf (mit der jetzt leichteren Brieftasche) über knackscharfe Bilder! Hossa!
Viel Spaß mit dem Lichtriesen!
Ich kann Dir bei Deinen Ausführungen nur zustimmen. Ein geiles Teil!!! Ich liebe es.
Aber wir brauchen nicht jammern. Die gleiche Linse kostet bei Leica das Doppelte 😉
Möchte damit nicht in irgendwelche Sorgenfalten stoßen, aber ja: Da kann man(n) tatsächlich neidisch werden – auf die Familie die das durchwinkt… 😉
So oder so: Feines Teil!
Da kann man ja wirklich neidisch werden. 🙂 Das 24 1.4er muss es auch noch in meine Tasche schaffen… Irgendwann… Aber dann bitte das von der Konkurrenz. 😉 Das ist auch etwas günstiger als die Nikon-Ausführung.
ziemlich verrückt, sich ein objektiv um 2.000 euronen zu kaufen, aber die bilder bestätigen dich dabei. GRANDIOS!
Sehr überzeugend!
@Zoomyboy Jepp! Das trifft es ebenfalls. Allerdings wär die Blogpost dann verdammt kurz! 😉
Neid!
Sobald man öffentlich kundtut das man sich so ein teures Objektiv geleistet hat, verfällt man sehr leicht und unbewusst in die Falle das man dann immer zuerst dem Leser erklärt warum man dass eigentlich braucht!
Aber eigentlich, und das würde mir als Argument völlig reichen, macht es einfach extrem viel Spaß mit so einem geilen hochwertigen Stück Technik zu fotografieren.
Emotionen das ist ein Grund-alles andere kommt in diesem Fall von selbst.
Hi Steffen, sehr geile Fotos und eine tolle Linse. Aber du beherschst auch den Umgang damit perfekt. Ich freue mich auf weitere Fotos mit der Tüte.
Gruss Alex