Die Möglichkeit des Fiaskos
Sind wir ehrlich. Die meiste Zeit tasten wir uns blind durch das Leben wie Anfänger. Da geht man in eine Richtung und erreicht einen Punkt, an dem man kurz stoppt, nachdenkt und dann doch wieder das macht, was man immer gemacht hat. Sehend wird man davon nicht. Irgendwann hält man dann doch den großen Zeh einmal kurz über den Abgrund und stellt sich vor, man könne fliegen. Später fürchtet man sich vor Gedanken wie diesen. Und dann wieder nicht – das kribbelnde „was wäre wenn…“ Spiel.
Alles hinzuwerfen und neu anzufangen, hieße doch nichts anderes, als dass die Jahre davor umsonst waren. Da hängt man doch sehr am selbst gewählten Elend und streicht den goldenen Käfig lieber neu an, als ihn zu verlassen. Mit Kontinuität im Leben lässt sich die Zukunft besser ertragen. Niemals verlieren zu können weil man nichts riskiert hat, das funktioniert – darauf baut eine Gesellschaft auf. Für die meisten Menschen klingt das nach nichts Falschem. Wo kämen wir auch hin, wenn alle ihr Leben permanent auf Links drehten, sich dem Endorphinrausch hingäben, siegten, scheiterten, alles wieder löschten, kein „vielleicht“, kein „mal sehen“, kurz: einfach ins Leben einstigen und mit ihm Achterbahn fahren. Was für ein unkontrollierbares Chaos gäbe das: Kein Algorithmus würde greifen, das Fundament der Gesellschaft geriete ins Wanken; deshalb haben sie jetzt in Bayern überall Kreuze am Eingang. Das hilft und ordnet…
Die Welt, das kann ich heute sagen, wird ohne diese Ordnung nicht untergehen. Die Erde hat sich weitergedreht, weil sie das immer schon tut – mit oder ohne Ordnung. Und vielleicht, ja ganz bestimmt sogar, entsteht dadurch etwas Neues. Eine große Liebe.
„Es gibt immer die Möglichkeit eines Fiaskos. Aber genau so gibt es auch immer die Möglichkeit der Glückseligkeit“ (Joseph Campbell)
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