25
Okt
2010
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Das dürfen Sie nicht!

Regen, Sturm, 8°C. Andere sitzen bei diesem Wetter zu Hause. Ich bin unterwegs um  „Lost Places“ für ein anstehendes Shooting zu finden. Hab bei dem Wetter eigentlich gar keine Lust und deshalb schlechte Laune – doch was solls – geht nicht anders. Ich finde ein stillgelegtes Gleisbett. Die Buchen wachsen durch die Schienenschweller…

Was machen Sie da?“ höre ich eine Fistelstimme durch den Regen rufen. Hinter mir steht ein untersetzter, bierbäuchiger Troll mit kariertem Hemd im Pullunder. Oberbiss. Hinter im steht ein in die Jahre gekommener 7er BMW.
„Wonach siehts denn aus?“ entgegne ich ihm.
„Das hier ist alles Bahngelände – Betreten verboten – da vorne ist ein Schild!“ sagt der Troll

Da hab ich ja Bock drauf: „Ach, und Sie sind von der Bahn beauftragt worden am Sonntag nachmittag über die Einhaltung eines Hinweisschildes zu wachen?“
Der Troll wirft sich in Position: „Nein, mir gehört die Baustoffversorgung da hinten und ich sehe gerade nach dem Rechten.“
Ich: Warum gehen Sie denn nicht einfach an den Zaun Ihrer Baustoffversorgung und und stellen sich in den Regen und füttern die Vögel? Einen Schirm könnte ich Ihnen leihen.“
Er: „Das dürfen Sie nicht!“
Ich: „Was darf ich nicht? Wissen Sie, DÜRFEN ist auch immer relativ. Stauffenberg durfte Hitler auch nicht erschiessen und trotzdem hat er es probiert und jetzt kusch Dich Du Nieswurtz!“
Er: „Ich kann auch die Polizei rufen!“
Ich: „Hui, ich schlottere am ganzen Leib – die Polizei?? Was meinen Sie wie die sich freuen, daß sie am Sonntagnachmittag  bei Regen und Sturm zu einem stillgelegten Gleisbett gerufen werden, weil sich ein Troll im Pullunder den Frust über die zu klein geratenen äußeren Geschlechtsmerkmale abbaut?
Er: „So, ich schreibe mir jetzt Ihr Kennzeichen auf. “
Ich: „Huuuu – ich mach mir gleich in die Hose!  Wissen Sie eigentlich, das Schriftstücke dieser Art später zur allgemeinen Belustigung im Verteiler landen? Ich will Ihnen mal was sagen: Wegen Leuten wie Ihnen drehen andere Leute durch und das zurecht!
Der iPod kommt zu Recht aus Amerika und nicht aus Deutschland weil es bei uns ein Gesetz gibt, dass Fenster in Garagen verbietet und dann wieder eines, welches Fenster am Arbeitsplatz vorschreibt – und weil es Typen wie Sie gibt, denen die Einhaltung solcher Vorschriften wichtiger ist als Ihr armseliger Sonntag. Sie erreichen damit eigentlich nur, daß noch mehr Menschen Sie hassen, was wiederum dazu führt, daß Sie sich selbst noch weniger leiden können, was dann dazu führt, daß Sie am Sonntag im Regen bei 8°C an stillgelegten Bahngleisen rumstehen und andere Leute maßregeln. Das ist ein merkwürdiger Kreislauf bei deren Durchbrechung ich Ihnen behilflich sein kann. Sie müssen jetzt nur gehen und haben schon den ersten Schritt getan.
Der Troll ist überfordert. Sein Mund sucht nach Worten, seine Lippen bewegen sich, ohne daß ein Wort herauskommt. Dann fällt ihm doch noch was ein: „Da vorne steht ein Schild! Da steht drauf „Betreten verboten! Und das gilt für Alle“

So langsam hab ich die Faxen dicke: „So, Herr Heßling. Wir beide gehen jetzt mal zu Ihrem Schild und dann zeigen Sie mir mal was Ihnen auf den Nägeln brennt!“
Der Idiot folgt mir in der Tat. Wir beide gehen zu einem Schild, das am Wegesrand steht. Es ist komplett mit weisser Farbe übersprüht worden. Buchstaben sind nicht zu erkennen. Das Schild sieht nicht wirklich „offiziell“ aus, sondern eher nach Metallwerkstatt einer Baustoffversorgung. Es sieht danach aus, als wäre ich nicht der Einzige in der Umgebung, der Herrn Troll scheisse findet.
Ich schaue erst auf das Schild und dann auf den Troll im Pullunder. Ich habe nun den Physiognomischen Ablauf in meinem Körpers nicht mehr unter Kontrolle und gerate in einen Wechsel aus Schnappatmung und Lachen.

Der Troll weiss, daß er an dieser Stelle seinen Kampf verloren hat. Ich weiss, daß mich das weder befriedigt noch glücklich macht. Für einen kurzen Moment möchte ich den armen Kerl in den Arm nehmen, lass ihn dann doch stehen und mache da weiter, wo ich angefangen habe. Aus der Ferne höre ich ihn „Das dürfen Sie nicht!“ rufen.



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31 Responses

  1. Pingback : Meine besten Blogposts 2010 | Der Stilpirat

  2. Moin, kannst du mir mal wo das Gleis ist .. ich suche noch Locations in Hamburg. Ich bin ja immer unter der Woche in HH und so Gleise fotographieren wird wohl mein neues Hobby 😉 Geniale Story Gruß Sven

  3. Pingback : » Blog Archive » Eine Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten

  4. „Seitdem ich etwas Älter bin und meine Statur es zulässt werde ich auch immer mutiger. Mir fehlt bei solchen Leuten der Gleichmut!“

    *lol* You made my day! Genau so isses. 🙂

  5. eine geschichte ganz nach meinem geschmack.

    so sind sie halt, die deutschen trolle.
    ich liebe begegnungen der dritten art und auch ich bin jederzeit für eine kleine grundsatzdiskussion offen. 😉

    lg appel

  6. Martin

    Sehr schön geschrieben! Was Troole auch absolut nicht mögen ist auch permanentes, pentrantes DUzen… Da gehen die richtig ab;)

  7. Zoli

    Eine in Grunde traurige Geschichte in humorigem Mantel eingehüllt.
    Aber wirklich schön zu lesen, dass Herr Heßling nicht nur bei uns im Süden lebt – und nach dem Rechten sieht….

  8. Herrlich, ja. Solche Leute kann man aber auch wirklich nicht ernst nehmen. Aber sag mal, hast Du dem Troll wirklich eins zu eins diese Worte an den Kopf geschmissen oder hast Du für den Blog noch ein wenig dramatische Kosmetik betrieben? *g* Falls es wirklich alles so war: meine Hochachtung, sowas würde ich mich wohl nicht trauen 🙂 Vor allem würden mir die richtigen Worte zur richtigen Zeit nicht einfallen.

    1. Die Frage ist mir heute so oft gestellt worden, daß ich hier nun doch mal was dazu sagen will:
      Also: Das Grundgerüst der Story ist in der Tat so passiert und formuliert. Allerdings formuliere ich hier aus der Erinnerung einiges aus und nach. So gut war meine Grammatik gestern sicher nicht. Also erwartet kein 1:1 Mitschnitt. Die „iPod-Story“ ist mir zum Beispiel heute beim Schreiben erst eingefallen. „Hitler“ dagegen in der Tat gestern spontan… Auch Diderich Heßling ist ein immer willkommenes Sinnbild welches ich oft nutze. Die Kunst der Schlagfertigkeit liegt eigentlich nur im parat haben von ausreichend Bausteinen. Ich kann Euch nur die Buchreihe Eine Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten: Dietmar Wischmeyers Logbuch empfehlen. Hier lernt man die meißten „Bausteine“ 😉
      Ich werde in solchen Situationen relativ schnell wütend und „dresche“ verbal auf den Troll ein. Das überfordert ihn und ist für mich eine willkommene Möglichkeit eine der wenigen Stärken die ich habe auszuspielen. Solche Leute sind mir nicht egal und deswegen überlasse ich sie auch nicht sich selbst. Es gibt zu viele Situationen in denen solche Trolls mit ihrem Gewäsch „durchkommen“. Seitdem ich etwas Älter bin und meine Statur es zulässt werde ich auch immer mutiger. Mir fehlt bei solchen Leuten der Gleichmut!

  9. made my day!
    Wusste garnicht das du so verbal austeilen kannst, herrlich. 😀 Kann mir die Szenarie wirklich sehr gut vorstellen – wie der dicke Pullunderträger hinter dir steht und grummelt. 🙂

  10. Bemerkenswert schon allein, dass er den Platz am heimischen Fensterbrett mit dem flauschigen Unterarmaufstützekissen verlassen hat. Und das bei Wind und Wetter. Aber der 7er will ja auch bewegt werden.

  11. Jaja… es gibt wirklich unglaublich arme Menschen mit einem Horizont, der nicht ganz bis zur eigenen Nasenspitze reicht… Solche Menschen ärgert es am meisten, wenn man sie einfach ignoriert…

  12. Ich bin ja in solchen Situationen nicht so schlagfertig. Aber ärgern tue ich mich genauso.
    Hättest ihn mal fotografieren sollen, dann wäre er wahrscheinlich Amok gelaufen 🙂

  13. Schlagfertiger Typ!
    Dein Gesicht merke ich mir und lasse Dich das nächste Mal einfach weiter fotografieren..

    Deutschland.. Das Land der „Das dürfen Sie nicht“s.

    😀

    M.

  14. Es beruhigt mich, zu sehen, dass es die Unmenschen in ganz Deutschland gibt und dass auch andere auf diese Gattung treffen.

    Ich hatte dieses Erlebnis vor Monaten in den 5 Höfen in München. Man fragte mich nach einer Fotografiergenehmigung für die rumhängenden Pflanzen und die Schaufensterdeko.

    Albernes Volk…