28
Jan
2013
7

Mit Easy Rider durch Da Lat

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Ich hab überlegen müssen, ob ich auf meinem Weg in den Süden Vietnams in Da Lat Station mache. Und nun, da ich hier 2 Tage verbracht habe, stelle ich mir die Frage, welche der vielen Eindrücke, überhaupt in einen Koffer passen.

Ich nahm den letzten Flug der Woche am Samstag morgen um 6 Uhr. Die kleine Propellermaschine brachte mich von Da Nang ins Hochland nach Da Lat – dem Obst- und Gemüsegarten Vietnams. Das Klima hier ist ähnlich dem eines schönes Sommertages in Südfrankreich und es gibt –  wie im Moment – reichlich Tage davon. Während der Kolonialisierung Vietnams liessen sich hier nicht wenig Franzosen nieder, die das gemässigte Klima genossen und die die Landschaft an die Heimat erinnerten. Sie hatten seinerzeit jede Menge europäischer Früchte im Gepäck und begannen damit, sie hier anzubauen – der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Da Lat entwickelte sich mehr und mehr zum Anbaugebiet diverser Früchte und bescherte dem ehemals kleinen Städtchen etwas mehr Wohlstand als dem Rest Vietnams. Da Lat hat seine „sozialistischen Ecken“, doch wer sich die Zeit nimmt und durch die Vorstadt schlendert, findet hier nicht wenige französische Villen mit wunderbar angelegten Gärten.

Nach 3 Stunden des Umherschlenderns in der Innenstadt von Da Lat, miete ich mir einen Motor-Roller, fahre raus in die Berge und erkunde das Umland. Herrlich einsame Serpentinen mit hübschen Landschaften, Flüssen, Wasserfällen, Seen…  man wähnt sich in der Tat eher im europäischen Süden, denn im tiefsten Asien. Ich bin wiedermal voll des Glücks (wie so oft hier) und werde gleichzeitig so langsam wehmütig in Gedanken daran, dass meine wunderbare Reise bald zu Ende geht. Ich lege mich unter einen Baum, geniesse die Aussicht und krame in meinen Notizen mit Tipps zu Da Lat. „EasyRider“ hatte ich mir da notiert und eine Telefonnummer. Die „Easy Rider“  sind eine Gruppe von Bikern, die sich zusammengetan haben und dem Reisenden als Sozius, Da Lat und Umgebung zeigen. Eine Motorrad Tour mit einem vietnamesischen Biker? Bitte gern! Ich versuche mein Glück und rufe einfach mal die Nummer an. Und siehe da, es geht tatsächlich jemand ran, der mir sehr freundlich und in gutem englisch ein „Hallo“ herüberwirft und sich darauf freut, mich am nächsten um  8 Uhr im Hotel abzuholen.

Ich fahre zurück und die Stadt, kämpfe mich durch den schlimmsten Feierabendverkehr und bin voller Stolz, im Gewühl der vietnamesischen „Non-Rules“ auf den Strassen problemlos mitzuhalten. Im Hotelzimmer jedoch das böse Erwachen: Sonnenbrand my Ass! Hab ich doch tatsächlich den ganzen Tag im Fahrtwind mein Gesicht in die Sonne gehalten und nun brennt das Höllenfeuer auf Handrücken, Gesicht und Ohren. Ich will nicht wehleidig sein, aber den Rest des Abends verbringe ich liegend mit einem Handtuch auf dem Gesicht in dem Eiswürfel eingewickelt sind und stöhne. Und wehe einer lacht jetzt!

Punkt 8 Uhr stand mein „Biker“ im Foyer und ich gebe zu, ich hatte ihn mir etwas anders vorgestellt. Groß, breitschultrig und in Leder gekleidet – war er nicht! Eher eins-sechzig groß, 50 Jahre alt und statt einer geilen Chopper, ne klapprige, alte Honda. ABER: Dieser kleine Mann bescherte mir einen der unvergesslichsten Tage meiner Reise und ich bin ihm so unsagbar dankbar, dass ich ausgerechnet ihn traf. Wir trinken einen Tee im Foyer und er erzählt mir von den „Easy Ridern“. Wie er die ersten Backpacker vor vielen, vielen Jahren noch heimlich in die „Restricted Areas“ fuhr und wie sich dann, nach und nach, ein einträgliches Geschäft entwickelte. Sein Englisch hatte er an der Universität während seines Psychologie-Studiums gelernt, diesen Beruf aber nie ausgeübt, weil er irgendwie auf „den Bock“ gehörte. Nein – die „Easy Rider“ seien keine Rockergruppe und seine klapprige Honda hat er immer noch, weil sie ihm Glück gebracht hat – die Kollegen wären schon mit moderneren Motorrädern unterwegs. Wir fahren raus aus der Stadt und Hiep – so sein Name – zeigt mir die Täler, in denen die Amerikaner ihre Napalm-Bomben abwarfen und seine Heimat verbrannten. 10 Jahre war er damals alt, aber er erinnert sich noch sehr gut daran. Die Helikoptergeschwader, die dicht über Da Lat flogen, sahen aus wie fliegende Frösche meint er und lacht. Sein Bruder kämpfte damals gegen die Amerikaner. Gefallen sei er nicht, aber schlimmer noch als diese Kriegserlebnisse seien ihm die Bauern in Erinnerung, die beim Bestellen der Felder plötzlich in die Luft flogen, weil überall Blindgänger herumlagen. Ich bin schwer beeindruckt von seinen Schilderungen.

Im nächsten Dorf ist Markt und ich bitte ihn, mir „Bittergurke“ zu besorgen. Soll gegen meinen furchtbaren Sonnenbrand helfen. Einfach mit dem Saft das Gesicht einreiben – den Tipp hatte ich von Heiko und Ly, die sich immer noch täglich ganz rührend nach meinem Befinden erkundigen. 4 Minuten später habe ich eine „Bittergurke“ in der Hand, breche sie durch und reibe sie mir mit der offenen Seite über mein Gesicht. Hellyeah tut das gut! Ooooooch! Das Dorf ist freilich entzückt über die Langnase, die sich mitten auf dem Marktplatz mit einer Gurke das Gesicht „rasiert“. Mir ist das Scheiss-Egal! Sollen sie lachen. Ich hab gerade Sex im Gesicht – mit dieser Gurke!

Wir fahren weiter über Kaffee-Plantagen und ich erfahre, das Vietnam mittlerweile weltweit der zweitgrößte Kaffee-Exporteur ist. Bei der nächsten Rast in einem Cáfe fallen mir Gitterboxen auf, in denen kleine Wiesel eingesperrt sind. Hiep erklärt mir, dass man den Viechern Kaffeebohnen zu fressen gibt und sie die dann schön wieder hinten raus ausscheiden, um damit ganz hervorragenden Wiesel-Kacke-Kaffee zuzubereiten. Alter Falter! Der Vietnamese ist pervers!  Hiep fragt mich, ob ich schon mal gesehen hätte, wie Nudeln gemacht werden. Freunde von ihm seien „Noodle-Makers“ und wir könnten sie besuchen. Klar gern! Zwar schaut „Noodle-Mama“ bei unserem Eintreffen etwas überrascht, aber wir dürfen herein und uns alles anschauen.  Die Nachbarn der „Noodels-Family“ sind Beesenbinder und als sie mich sehen, werde ich herübergewunken. Ob ich das Töchterchen heiraten und mit nach Deutschland nehmen würde, werde ich gefragt. Ich gebe zu verstehen, das dem Einiges an handfesten Argumenten entgegensteht und zu bedenken, dass Deutschland zwar reicher aber nicht schöner sei Vietnam. Im Übrigen hätte ich in den letzten zwei Wochen, mehr freundliche Vietnamesen gesehen als Deutsche in einem ganzen Jahr. Sie solle den Plan verwerfen. Als wir uns verabschieden, winkt die halbe Strasse und mich überkommt das Gefühl, dass ich nicht das letzte mal in Vietnam sein werde.

Unsere nächste Station ist ein riesiger Wasserfall. Es bedarf einiges an riskanten Klettermanövern, um ihn in voller Pracht zu sehen und Hiep zeigt mir einen kleinen Spalt, der uns nach einigem weiteren Klettern, irgendwann hinter den Wasserfall, ganz dicht am Felsen bringt. Wow! Ich krieg keine Luft mehr! Sieht das geil aus!! Was soll ich sagen? Hab ich das Wort „beeindruckt“ eigentlich schon zu oft benutzt??

Auf dem Weg nach Hause halten wir in einem Dorf der Kohor – einer ethischen Minderheit. Die Herren der Schöpfung fingen gerade Fische im Fluss (mit den Händen!), während die Damen vor den Hütten saßen und tratschten. Ich solle mich doch dazu setzen, doch so richtig anzubieten hätten sie nichts. Wie immer ziehe ich die Kinder in der näheren Umgebung magisch an und bald schon laufe ich mit einer Traube durchs Dorf und lass mich feiern. Aus einem der Häuser stürmt ein Mann, der mich fragt, ob ich ein Foto von ihm und seinem Sohn machen würde. Hiep würde es ihm dann beim nächsten Besuch mitbringen. Klar!! Kriegt er!  Das Dorf hat nichts zu verkaufen, nur hin und wieder ein Tourist, der dem Dorfleben vielleicht neuen Gesprächsstoff liefert. Niemand wollte Geld von mir. Ich war einfach nur da und hab mich für sie interessiert. Ich hatte das Gefühl, dass sie das stolz macht.

Hiep und ich haben eine Menge mehr Stationen an diesem Tag gemacht. Sie alle zu erzählen, führte zu weit. Es war ein Wahnsinns-Tag, den ich so schnell nicht vergessen werde. Eine Geschichte, die mich sehr tief gerührt hat will ich am Ende doch noch loswerden. Ich hatte in einem Dorf eine sehr kurzes aber intensives Gespräch mit einer jungen Vietnamesin. Ich hatte an ihrem kleinen Verkaufsstand eine Flasche Wasser gekauft und wir hielten ein wenig Smalltalk, als sie mir erzählte, dass ihr Mann vor 10 Monaten gestorben sei. Sie habe diesem kleinen Verkaufsstand erst seit kurzem, weil sie dadurch etwas Ablenkung bekäme. Ich sagte ihr, dass es mir unsagbar leid täte, dass sie bereits in so jungen Jahren ein so schweres Los ziehen musste, doch sie entgegnete: „Ist schon ok – Ich sehe ihn jeden Abend.“

Mit diesem Gedanken im Herzen, sende ich Euch die besten Grüße aus Vietnam.

Habt eine schöne Woche und bleibt bei mir, wenn ich Saigon und das Mekong Delta erkunde.

Euer Stilpirat

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