10
Jan
2012
5

Beute: Polaroid 110A in 4×5 Conversion

Nun geht es also wieder los: Die Foto-Gazetten haben das Sommerloch die Warterei auf die Nikon D4 überwunden und  können nun das Land endlich mit „Nikon D4 vs. Canon 1D X“ Tests überziehen. Und was macht der Stilpirat? Kauft sich KEINE Nikon D4. Nöööhö! Ich warte auf die Nikon D4s! Die soll dann 400.00 ISO können und 16 Bilder die Sekunde schiessen! Ha! Damit bin ich dann ganz weit vorn! Ha!
Naja, eigentlich will ich mit dieser kleinen Scharade nur einen Bogen spannen, zu einem Thema, welches sich seit Jahren durch meine fotografische Entwicklung zieht: Kamerakauf!

Ööhm, Ihr ahnt es! Ich hab mir eine Kamera gekauft! Yep! Wobei „gekauft“ nun auch wieder nicht ganz stimmt. Richtiger wäre: „anfertigen lassen“. Und nun dürft Ihr Euerm Nebenmann zuflüstern: „Ok – der Stilpirat hat vollends den Verstand verloren und sein Erfolg steigt ihm zu Kopf!“… Jaja – doch alles der Reihe nach:

Seit mich das Großformatfieber gepackt hat, sitzt ein kleiner Teufel auf meiner Schulter, der mich permanent an die Schlepperei dieses Ungetüms und die fehlende „Alltagstauglichkeit“ erinnert. Ja, Großformat ist was für Männer, mit kräftiger Rückenmuskulatur und manch einer verkauft seine Großformat-Anschaffung bereits nach einer Woche wieder, weil ihm Angst und Bange wird. Doch bei jedem Zweifel überwog in der Überlegung doch immer die brachiale Bildästhetik, die mir ein jedes Grossformat-Foto ins Gesicht schlug. Nein, so schnell gibt ein Pirat nicht auf!

Ich hab in diesem Jahr ne Menge Auslandsreisen auf dem Zettel, die ich fotografisch festhalten möchte und wie ihr wisst, mach ich es mir bei der Wahl der Kamera, nicht einfach (ja ein iPhone würde auch reichen). Ich hatte mir sogar in den Kopf gesetzt, in Kalifornien nicht mit einem Handwagen unterwegs zu sein und trotzdem im Grossformat fotografieren. In meiner Recherche nach einer leichten, tragbaren Grossformatkamera, stiess ich auf einen verrückten Amerikaner, der alte Polaroid Kameras des Typs 110A in Grossformat-Kameras umbaut. Die Polaroid 110A bietet sich für ein derartiges Unterfangen deshalb an, weil sie den nötigen Abbildungskreis besitzt und dank Messsucher ebenso leicht wie einfach zu bedienen ist. Der Messsucher ist übrigens eines meiner Hauptkriterien gewesen, weil ich durch ihn nicht auf die Arbeit an der Mattscheibe angewiesen bin. Ein weiteres Kriterium war für mich das Gewicht und die Polaroid wiegt gerade mal 1,8 Kilo! Das ist weniger, als meine Nikon D3s mit aufgesattelter Linse. Der Polaroid-Mann im fernen Amerika flext nun bei diesen Dingern die Rückklappe ab und schweisst ein 4×5 Rückteil an. Jede von ihm umgebaute Kamera ist ein Einzelstück, denn er baut sie exakt nach deinen Wünschen um. So wollte ich für meinen Umbau, ein Graflok-Back mit Gitter-Fresnel-Mattscheibe und eine schwarze Belederung. Der Kamera-Kopf sollte ebenfalls schwarz sein und ich wollte das ursprünglich verbaute Rodenstock 127/f4,7 mit Prontor Verschluss, weil dieser Linse fantastische Abbildungseigenschaften nachgesagt werden. Die Kamera wurde komplett und sehr detailreich restauriert. Mein Faltenbalg sieht aus wie neu und die Belederung ist ebenfalls sehr ordentlich ausgeführt.. Die Kommunikation und Abwicklung lief via E-Mail. Ich wurde immer über den Fortschritt der baulichen Massnahmen informiert und bezahlte im voraus. Produktionsdauer: 6 Wochen. Jede restaurierte Kamera bekommt einen Namen, den sich ihr Besitzer ausdenkt. So eine Art Taufe! Ich hab mich nach kurzer Überlegung für „Jack Cousteau“ entschieden, weil mich die Optik der Kamera irgendwie an ein U-Boot erinnerte und ich die Verbindung zu „Forscher und Entdecker“ mochte. „Jack“ statt „Jacques“, weil die ein amerikanische Baby ist… 😉

Als ich die Kamera dann kurz vor Weihnachten endlich in meinen Händen hielt, war das – verzeiht mir: PURER SEX! Ich legte mir die Stylistics auf und… ach, seht selbst:

Alles fühlte sich so an, wie ich es mir ausgemalt hatte. Die Kamera ist liebevoll restauriert und alles fühlt sich sehr wertig an. Mein besonderes Augenmerk lag auf dem Messucher, denn der würde für mich zwischen Sieg und Niederlage unterscheiden. Und ein Blick durch den Sucher, zauberte mir ein Siegerlächeln ins Gesicht:  Er war gross, hell und mit gut sichtbarem Schnittbild!  Willkommen „Point & Shoot Grossformat„!! Nun kann ich mit einer leichten Grossformat-Kamera durch die Gegend ziehen, für die ich kein Stativ brauche und dank Messsucher auch kein Dunkeltuch über die Mattscheibe hängen muss. Einziger Wermutstropfen: Kein Tilten oder Shiften! Mich stört das nicht weiter, meine Graflex kann das auch nur eingeschränkt und gebraucht hab ich es auch noch nie…

Ok, wie schlägt sich das Baby nun aber im Alltag? Im Rucksack auf dem Rücken merkt man die Kamera wirklich nicht – da bin ich anderes gewohnt! Das Handling ist easy: Klappe auf, Faltenbalg nach vorn ziehen, Licht messen, Verschluss spannen, ein Blick durch den Messsucher und fotografieren. Der Auslöser ist gut zu erreichen und ebenfalls schön groß (das ist bei Grossformat nicht unbedingt üblich, weil man ja normalerweise mit Drahtauslöser arbeitet). Fokussiert wird mit einem sehr grossen Einstellrad an der Klappe… Man kann damit wirklich sehr feinfühlig arbeiten. Bei der Graflex war das vergleichsweise grobschlächtig. Nach 3 Bildern war ich mir sicher: Wenn die Ergebnisse mich ebenso überzeugen wie das Handling, dann will ich ein Kind von ihr! Und Voilá was meint Ihr (klick macht groß)? Lohnt es sich, mit Ihr ins Bett zu steigen?

 

 

 

Die Fotos sind auf Usedom entstanden: 1 und 3 auf einem Kodak TRI-X 320, Bild 2 auf Spürsinn G50, der mir wieder mal,  bewies, dass er mein Lieblings-Großformat-Film ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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48 Responses

  1. Paul

    Hallo stilpirat, kannst Du über Deine Erfahrungen mit der Kamera berichten? Würdest Du sie wieder kaufen oder hast Du sie nicht mehr. Passt auch ein 4×5 Pola-Kassette an das Rückenteil?

    Vielen Dank im Voraus

  2. Most large format shutters do not go higher than 1/500, some 1/400. And the original Prontor’s on these 110A/B Polaroids is the ONLY shutter I know of with a built in self timer!

  3. Ohauerha, dann bist Du aber auch ganze schnell über 1000 Dollar.

    Was ist denn die schnellste Belichtungszeit mit dem Standard-Verschluss? Und warum noch schneller?

    Aus der Hand sollte doch bei „normalem“ Licht kein Problem sein, wenn ich das richtig verstanden habe.

  4. Moinsen Ralf, ich hab mir das Ding mit meinen Sonderwünschen zusammengestellt. Standard-mäßig ist z.B. kein Graflok-Back dabei und JA, ich würde mir die Kamera exakt so wiederbestellen… wobei…
    Ich würde mir den Copal-Shutter (für die schnellen Zeiten)
    zusätzlich einbauen lassen.

  5. Ist das die Ausfertigung, wie sie der verrückte Amerikaner standardmässig anbietet oder ist das von Dir nochmal überarbeitet?

    Würdest Du die Kamera nochmal so bestellen oder jetzt was anders machen? Es werden ja noch zahlreiche weitere kostenpflichtige Features angeboten.

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  14. Wie geil ist das denn? – wenn ich mal die Sprache unserer Jugend verwenden darf…
    Du hast mich angesteckt!
    Kann man sich sowas leisten?
    ..Also – kannste vielleicht so ungefähr mal sagen was so eine „Liebe fürs Leben“ kostet?
    …so in etwa? 🙂

  15. ralf_b

    das ist der Hammer ! gerade schlaegt der „HabenWollenReflex“ zu 🙂

    Tolles Teil und viel Spass damit !

  16. madeleine

    es ist mir eine unglaubliche Ehre dich bald kennenzulernen……dein Blog raubt mir die Sinne…..ganz zu schweigen von deinen Bildern…..

  17. Christian

    Habe ich dich damals in Saarbrücken mit meiner 110A angesteckt, dachte ich mir fast. 🙂

    Bei den tollen Fotos überlege ich, ob ich meine auch umbauen lasse.
    Ich dachte, die 110B wäre für den Umbau besser geeignet.

  18. josh_hb

    Mieses Stück Schifferscheisse! Gehen gar nicht, diese analogen Aufnahmen. Ich will das nicht sehen – neiiiiiiiinn – sehen doof aus – gib mir meinen Scanner zurück.

  19. Nun ist Dein Logbuch hier bei mir auf Sylt allerliebste Lektüre, und ich glaubte, darin hin und wieder eine Richtung / Dimension erlesen zu dürfen. Die klare fotografische Entwicklung, den Weg zu gehen, immer wieder im Ringen mit der Fotografie.

    Und – Nun – DAS !

    Du machst mich nun wieder völlig ratlos. Ist es doch besser, immer wieder und wieder, gleich einer süßen Sucht, dem GAS nachzugeben, nur um sich noch eine, und noch eine, und dann schon wieder eine KAMERA zuzulegen?

    Immer wieder Sex mit anderen (Kameras) haben zu wollen, um den Rausch des Neu Verliebtseins in Abbildungskreis, Handhabbarkeit, Haptik und Co zu genießen ?

    Bist Du noch gesund?
    Oder – doch – suchtkranker Fotograf?

    Nur gut, das ich Dich VERSTEHE. Und zwar ganz genau. Vielleicht sogar zu genau. Da der kleine Teufel eben nicht nur in Norddeutschland flüstert.

    Mach weiter so, laß die Bilder rüberwachsen von Deiner Jack, es ist wieder eine Lust sie zu sehen.

    Für den TRIX320 – magst Du den mal pushen, um zu sehen, was in ihm steckt? Oder ihn mindestens in Mixtour Feinkorn V2 zu panschen, wenn Du ihn nominal belichtest? Und ein Pull macht ihm auch Freude (HCD new 2-Stufen) . . .

    Also, willkommen zurück in der Heimat. Danke für diese schöne Blogpost. Was für eine tolle Kamera!

  20. Die Perspektive im Großformat ist einfach der Hammer!
    Mach schöne viele Kinder mit ihr und verlose sie unter den Bloglesern!! 🙂

  21. Und wenn mich der Teufel zwingen würde keinen Blog mehr zu lesen bis auf einen einzigen, dann steht jetzt endgültig fest: Hier würde ich verweilen.
    Ein wirklich mit Genuss zu lesender Artikel in dem alles passt. Und das schönste, ich muss nichts dafür zahlen.

  22. Ein tolles Teil und die gezeigten Bilder drängen nach meer….
    Sag entwickelst du die Filme selbst bzw. wo läßt du entwickeln und belichten?

  23. Uaaaaahh 🙂
    Au Mann, ich würde die gerne mal berühren. Das U-Boot ist so verdammt schick geworden.
    Bin schwer gespannt was da noch kommt. Der oberste Foto finde ich schon mal klasse in look und feel.

  24. @Stefan: Hey das ist Großformat! Das knipst man nicht einfach so weg!
    @André: Die Preise stehen doch auf der Website des Polaroid-Manns
    @Jeriko: Ich trauere immer noch!

  25. Respekt. Und die Aufnahmen geben recht. Das Grossformat erzeugt eine unvergleichliche Tiefe.

    Eigentlich Frage ich sowas nicht, aber mich würde die preisliche Richtung schon interessieren.

    André