Jerusalem – die alte Stadt
Ich habe noch nie so oft den ersten Satz einer Blogpost geändert, wie bei dieser. Ich habe noch nie so oft und in so kurzer Zeit, die Seiten gewechselt und meine Gefühlswelt sortiert, wie hier in Israel. Man kann es eigentlich nicht besser formulieren als mit der Aussage einer unserer Gastgeber hier: „Wenn du nach Israel gekommen bist, um für dich Licht in die Problematik dieses Landes zu bringen und du anschliessend noch konfuser als vorher wieder nach Hause fährst, dann hast du die Problematik hier verstanden.“
Was mach ich eigentlich hier? Ich begleite eine Delegation von Politikern auf einer Informationsreise durch Israel. Ziel der Delegation ist es, den Israel-Konflikt besser zu verstehen und sich ein Bild davon zu machen, wie sich die Probleme in Israel und im besetzten Land, im einzelnen gestalten. Meine Aufgabe ist eigentlich eine foto-dokumentarische, doch merke ich immer mehr, wie ich den intensiven Gesprächen der Delegation mit Unternehmern, Studenten, Theologen, ja sogar mit Vertretern der PLO intensiv folge. Und wenn ich hier mit einem Bild eines Konfliktes im Kopf gekommen bin, so merke ich doch schnell, dass man die Situation hier nicht auf zwei Konfliktparteien reduzieren kann. Israel ist im Inneren und nach außen ein Schmelztiegel von Interessenskonflikten. Eigentlich gibt es hier keine „zwei Seiten“ sondern unendlich viele. Und immer wenn man den nachvollziehbaren Standpunkt einer „Seite“ hört, wird man im nächsten Gespräch, eine ebenso nachvollziehbare Argumentation der Gegenseite hören. Und mit jedem Argument wächst meine Hochachtung für die Menschen, die sich hier mit Lösungswegen befassen. Nein – der größte Fehler, den man machen kann, ist sich auf eine Seite zu schlagen.
Wir reisen seit vergangenen Mittwoch quer durchs Land und sind nach Tel Aviv, Nazareth, Tiberia und Haifa nun in Jerusalem angekommen. Der straffe Zeitplan an Gesprächen und Diskussionen, lässt mir kaum Zeit, mal ein Stündchen auf eigene Faust rauszugehen und zu fotografieren. Einzig am vergangenen Freitag – pünktlich zum Sabbat – hatte ich einen freien Abend und nutzte diesen, um zur Klagemauer in die alte Stadt zu gehen. Ich muss sagen, dass ich von der Intensität, mit der hier Religion gelebt wird, wirklich beeindruckt bin. Und ich rede hier nicht ausschliesslich von den orthodoxen Juden, die das Stadtbild am Sabbat prägen. Jerusalem ist ein sichtbares Brennglas religiöser Strömungen und lässt selbst mich, als konfessionslosen, ungetauften Erdenbürger, voller Ehrfurcht auf die alten Mauern, die die alte Stadt umgeben, schauen. Gehe ich zu weit, wenn ich sage, man sollte einmal im Leben zum Freitagsgebet an die Klagemauer in Jerusalem? Ich bin sehr glücklich über diese Erfahrung.