Ein Gedanke
Ich fuhr heute mit dem Auto. Und im CD-Spieler hatte meine Frau irgendeine CD aus meiner „Musterkiste“ vergessen. Ja, ich habe so eine Musterkiste, wo die CDs landeten, für die ich früher die CD-Cover gestaltet habe. Es lief ein Hammer-Song, den außer mir, dem Produzenten und einer Handvoll Leute, nie ein Mensch zu hören bekommen wird, weil der Künstler nach der ersten Single „gedroppt“ wurde (Musikbranchendeutsch). Ich habe ne Menge CDs aus dieser Zeit. Unzählige Künstler, unzählige CDs. Viele davon haben es nicht in die Läden oder „über die erste Single“ geschafft.
Ich bin in meinem Leben vielen Künstlern begegnet – echten Künstlern. Künstlern, die unglaubliche Ideen hatten, tolle Musik schrieben, Bilder malten oder fotografierten. Künstler, die so vor Leidenschaft brannten, dass sie ihr Umfeld anzuzünden vermochten. Menschen, die mich bereichert haben, die mein Denken prägten und mir wichtige Impulse gaben. Ich liebe diese Menschen. Weil sie etwas tun, was uns Menschen überhaupt erst zu Menschen macht: Sie reflektieren den eigenen Geist. Sie schaffen Dinge, um anderen Menschen ihre Gefühle mitzuteilen, sie erzählen Geschichten um andere Menschen zum Nachdenken anzuregen, den eigenen Geist ebenfalls zu reflektieren. Was wären wir ohne sie?
Und ich traf Andere. DIESE „Anderen“. Die, die die Künstler unter Vertrag nahmen, um ihnen später Abläufe und Regeln zu diktieren. Die, die ihr eigenes Tun so wenig reflektieren, dass ihnen nicht klar ist, dass sie das Gegenteil von dem erreichen, was sie eigentlich tun sollten. Diese „Anderen“, die eine Menge Künstler auf dem Gewissen haben. Sie haben BWL studiert, weil sie keine Künstler sind. Und man kann es ihnen nicht vorwerfen – natürlich nicht! BWL ist wichtig! Sie haben im Studium die Regeln des Marktes gelernt und haben gelernt, zu kalkulieren. Sie glauben, den Markt zu kennen, doch ihnen ist nicht klar, dass sie nur Vermutungen anstellen. Dass sie das nicht reflektieren, könnte man ihnen unter die Nase reiben – höchstens. Aber das Leben und der freie Geist hört auf die Regeln des Marktes nicht. Doch die Gesellschaft nimmt hin, dass die einen am Hebel sitzen und die anderen nicht.
Wisst ihr eigentlich, wie viel wundervolle Musik ihr nie gehört habt? Wie viel atemberaubende Bilder ihr nie zu sehen bekommt? Wie viel wundervolle Literatur ihr nie lesen werdet? Wisst ihr, wie viel menschliche Kreativität verbrannt wird, weil irgendwelche Latte-Macchiato-schlürfenden BWL-Deppen glauben, das sie Ahnung von dem haben, was sie tun? Die Beatles wurden 1962 von Decca abgelehnt und auch Joanne K. Rowling wollte lange Zeit kein Verlag aufnehmen, weil jemand auf einem Stuhl saß, auf den er definitiv nicht gehört. Mir sind auf meinem Weg eine Menge „Kunstwerke“ über den Weg gelaufen, die es nie in die Öffentlichkeit geschafft haben, weil irgendein Sesselpfurzer wieder gemutmaßt hat, statt sich die Mühe zu machen, sich in etwas reinzudenken. Ich habe erlebt, wie so ein Typ allen ernstes zu einem Musiker meinte: „In die zweite Strophe gehört aber noch ein Schellenkranz – sonst wird das nix!“ Solche Typen machen die Energie und Leidenschaft eines kreativen Geistes mit einem Satz zunichte und wenden sich anschliessend ihrem nächsten Latte Macchiato zu. Die Idee indes verbrennt gemeinsam mit dem Künstler. Ja, Künstler sind sehr empfindsame Wesen und nehmen sich Dinge furchtbar zu Herzen. Deswegen reflektieren sie sich ja auch so gut. Und mit jeder vom Sesselpfurzer herbeigeführten Niederlage, glaubt so eine Künstlerseele weniger an sich. Und wieder geht der Welt ein wundervolles Stück Reflexion verloren. Und so sehen und hören wir an Kunst oft nur das, was „die Anderen“ „durchlassen“ – so was wie Pocher zum Beispiel. Weil es Leute an irgendwelchen Schaltzentralen gibt, die glauben, dass das „Kunst“ ist. Und es sagt mehr über sie aus, als sie sich vorstellen können.
Und wisst ihr was das perfide ist? Irgendwann checken die Blutsauger, dass echte Kunst immer irgendwie doch durchsickert. Und dann machen sie ihren verschissenen Kommerz draus. Dann überschwemmen sie den Markt mit schlecht kopierten Ideen und melken die Kuh, bis der Euter blutet. Dann kaufen sie sich Follower mit ihrem Scheiss-Geld und suggerieren dem Rest, dass das was sie tun, bereits ne Menge Leute erreicht hätte. Und ja – wir kennen das Ding mit dem menschlichen Herdentrieb – die Masse läuft hinterher: „Schaut nur, die tausenden von Scheißfliegen um den Kackhaufen da hinten – die können doch nicht irren?? Der Erfolg gibt dem Kackhaufen recht!“ Und am Ende sitzen die „Bohlens dieser Welt“ mit ihrer Grinsefresse am Samstag Abend in der Glotze und der Rest glaubt, Deutschland suche wirklich den verschissenen Superstar. Und was ist eigentlich passiert? Wieder verbrennt eine Idee, ein Gedanke, eine Leidenschaft.
Tut mir einen Gefallen: Glaubt ihnen nicht! Nutzt euer Talent und macht euch und andere glücklich. Befruchtet euch mit Ideen und spinnt und träumt. Zieht euer Ding durch und glaubt nicht, dass Ruhm irgendwas Wichtiges ist. Viel wichtiger als Ruhm ist, dass deine Ideen und Träume weitergetragen werden und nicht durch irgendwelche Hackfressen sterben. Denn „was ist der widerstandsfähigste Parasit im Körper eines Menschen? Richtig! ein Gedanke! (Inception)
In diesem Sinne: Eine schöne Woche!
Euer Stilpirat
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